Symbole der Widerstandsfähigkeit
Er ist einer der bekanntesten Künstler aus einem der ärmsten Länder der Welt: Gonçalo Mabunda aus Mosambik stellt aus alten Schusswaffen, die im Bürgerkrieg eingesetzt wurden, Kunstwerke her. Sowohl als Künstler als auch als Antikriegs-Aktivist setzt er sich für Frieden ein und versucht, seine Heimat an Schönheit und Sicherheit zu bereichern.
Mosambik ist eines von vier Ländern, die eine Kalaschnikow (AK 47) auf ihrer Flagge beziehungsweise ihrem Wappen abbilden. Gedacht ist sie hier als Symbol für jenen Freiheitskampf, der 1975 zur Unabhängigkeit von Portugal führte. Freiheitssymbole finden sich freilich auf zahlreichen Flaggen, auch wenn ein Sturmgewehr doch recht martialisch daherkommt − als gutes Omen hat es hier aber nicht gewirkt. Mosambik wurde in den Folgejahren statt von Frieden von einem Bürgerkrieg beherrscht, der erst in den frühen 1990ern endete und die Armut in dem Land so weit verstärkte und festigte, dass es bis heute eines der ärmsten Länder der Welt ist.
Nach Ende des Bürgerkriegs sollte Mosambik von den omnipräsenten Schusswaffen befreit werden. Der Christian Council of Mozambique organisierte Aktionen, in denen Kriegsmaterial eingesammelt und unschädlich gemacht wurde. Das Ergebnis war eine gewaltige Ansammlung von Waffen, für die es zunächst keine Verwendung gab.
Waffen und Kunst
Der junge Künstler Gonçalo Mabunda trat zu dieser Zeit der Künstlergruppe Núcleo de Arte bei, deren Galeriemanager er kurz darauf auch wurde. Die Galerie befindet sich in Maputo, der Hauptstadt und dem künstlerischen Zentrum Mosambiks. Mabunda erfuhr von der Aktion des Christian Council of Mozambique und deren neuester Idee, dem Projekt Arms into Art. Die Waffen sollten Künstlerinnen und Künstlern als Material zur Verfügung gestellt werden. Gonçalo Mabunda entschied, sich dieser Idee anzuschließen.
Als er einige Zeit später vor das Haus der Künstlergruppe trat, erblickte er den riesigen Berg an Schusswaffen, den die Künstler von Núcleo de Arte verwenden sollten. Für Mabunda, der im Bürgerkrieg aufgewachsen war, dennoch ein unheimlicher Anblick. Wie konnte es in diesem armen Land so viele teure Waffen geben? Mehr als sieben Millionen wurden bisher eingesammelt, und es kommen auch heute noch täglich neue dazu.
Beginn einer Mission
Für den 1975 geborenen Mabunda, der schon zuvor mit Metall gearbeitet hatte, waren die Waffen ein gefundener Werkstoff für seine Kunst. Er fertigte eine erste Plastik aus ihnen − einen Motorradfahrer auf einem Bike – und eignete sich dabei seine ganz eigene Technik im Umgang mit dem ungewohnten Material an. Im Zuge dessen fand Mabunda seinen künstlerischen Weg: Er erschafft Throne und Masken, die sich aus den funktionslosen Waffen und ungenutzter Munition zusammensetzen.
Die Throne repräsentieren Macht, die in afrikanischen Ländern oft mit Waffengewalt genommen und gesichert wird, ein Umstand, den Mabundas Arbeiten verspotten wollen. Zugleich wird Munition durch ihre Verarbeitung in Kunstwerken aus dem Verkehr gezogen und kann so nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck verwendet werden. Mabunda versteht sich dabei nicht nur als Künstler, sondern ganz wesentlich auch als Antikriegs-Aktivist.
Jüngste Auktionsergebnisse von Gonçalo Mabunda
Künstlerischer Aktivismus
Für den Künstler und Aktivisten ist die Geschichte seines Rohstoffs von zentraler Bedeutung. Als Waffen finden nur solche aus Mosambik den Weg in seine Werke: Arbeitet er mit anderen Metallresten, so werden die Spuren ihres Gebrauchs, wie etwa Farbreste, nicht entfernt, sondern zu einem Element seiner Arbeit, um die Geschichte des Materials zu bewahren, sie Teil der Erzählung des Kunstwerkes werden zu lassen. Mit diesem Ansatz erlangte Mabunda weltweit Aufmerksamkeit und seine Werke fanden Eingang in Ausstellungen, wie etwa im Centre Pompidou oder in den Vatikanischen Museen. Im Jahr 2015 war er der erste Künstler aus Mosambik, der auf der Biennale in Venedig ausstellte.
Öffentlich präsentierte Kunstwerke haben für Mabunda dabei eine besondere Relevanz, da er auf diesem Weg seine Werke auch Menschen nahe bringen kann, die sonst keine Verbindung zur Kunst haben. Er sieht in seinen Arbeiten nicht nur Kunstwerke, sondern ebenso Symbole der Widerstandsfähigkeit friedenshungriger Menschen, die es über den Kunstmarkt hinaus zu vermitteln gilt.
Aktuelle Anliegen
Seit in Mosambik das weltweit drittgrößte Vorkommen von Flüssigerdgas entdeckt wurde, drohte dem Land erneuter Krieg. Spätestens mit den Angriffen des IS auf die Stadt Palma in der Nähe der Erdgasfelder Anfang des Jahres 2021 ist er Realität geworden. Hunderttausende flüchteten aus der Region, es fehlt an Nahrung und medizinischer Versorgung. Die kriegerischen Auseinandersetzungen halten an, Menschen sterben an Unterernährung – Geschehnisse, die Mabunda zutiefst besorgen und Eingang in seine künftige Arbeit finden werden.
Neben seiner eigenen künstlerischen Tätigkeit hat Mabunda das Projekt University of the Street ins Leben gerufen, mit dem er Straßenkindern die Welt der Kunst nahezubringen versucht – den Blick für Kreativität zu stärken, herumliegenden Müll als Material für eigene Arbeiten zu recyclen und hoffentlich einen Sinn für ein mögliches Leben außerhalb der Kriminalität zu öffnen. Mit Straßenkindern zu arbeiten, ist für Mabunda eine herausfordernde Aufgabe, die in den letzten zwei Jahren der Pandemie noch schwieriger wurde. Doch er ist überzeugt, dass grundlegende Veränderungen ihre Zeit brauchen und nur gelingen können, wenn man beharrlich für sie eintritt, nicht aufhört, sich für die richtige Sache zu engagieren.
So gewinnt in Mosambik auch die Diskussion um die Entfernung der Kalaschnikow von der Landesflagge, die nicht nur Mabundas Meinung nach als Symbol aus der Zeit gefallen ist, zunehmend an Aufmerksamkeit. Und auch wenn es hier »nur« um ein Symbol geht, spiegelt die Diskussion ja vielleicht bereits eine hoffnungsvolle Entwicklung im öffentlichen Bewusstsein wieder, während die Lebensrealität noch mit Rückschlägen ringt.
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