In den letzten Jahren gewinnt die figurative Malerei von afrikanischen und afrodiasporischen Künstlerinnen und Künstlern am europäischen ebenso wie am US-amerikanischen Kunstmarkt immer mehr an Bedeutung. Unter ihren Repräsentanten ist auch der ghanaische Maler Amoako Boafo. Mit seinen neuen Ansätzen in der Gestaltung Schwarzer Personen und deren Einordnung in einen größeren globalen Kontext, gilt er als eine bemerkenswerte junge Stimme der zeitgenössischen Kunst. Das Auktionshaus Philipps versteigerte Boafos Gemälde The Lemon Bathing Suit im Februar 2020 für umgerechnet rund 810.000 Euro. Es zeigt eine Schwarze Frau mit Sonnenbrille in einem weißen Badeanzug, auf dem Zitronen abgebildet sind. Sie liegt entspannt auf einer weißen Luftmatratze, die sich wiederum in einem Pool zu befinden scheint. Ebenfalls 2020 dienten Boafos Werke als Vorlage für die Männer-Sommerkollektion der französischen Luxusmodemarke Dior. Andere Arbeiten gehören heute u. a. zu den Sammlungen des Guggenheim Museums in New York. Wie haben er und seine Kunst es so schnell dorthin geschafft?
Amoako Boafo – Ein figurativer Maler aus Ghana startet durch
Der ghanaische Maler Amoako Boafo malt ausschließlich Schwarze Personen, um diese Charaktere in der Bildtradition des Porträts zu würdigen. Dabei drückt er der figurativen Kunst einen ganz neuen Stempel auf. Und das kommt an: Im Februar 2022 wurde eines seiner Gemälde für rund 1.264.000 Euro versteigert.
The Lemon Bathing Suit von Amoako Boafo
Amoako Boafo
The Lemon Bathing Suit
20th Century & Contemporary Art Evening Sale, Lot 1
13. Feb - 13. Feb 2020
Price realised: 675.000 GBP
Der schnelle Aufstieg in den Rekordhimmel
Amoako Boafo wurde 1984 in Accra, Ghana, geboren und studierte zwischen 2004 und 2007 am Ghanatta College of Art and Design in Accra. 2014 zog er nach Österreich und absolvierte dort ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Kunstschaffende wie Ashley Hans Scheirl und Kirsi Mikkola gehörten dort zu seinen Lehrenden. Während dieser Zeit setzte er sich viel mit Werken der Wiener Moderne aus dem 20. Jahrhundert sowie dem europäischen Jugendstil auseinander. Vor allem die Arbeiten von Egon Schiele und Gustav Klimt beeinflussten ihn dabei nachhaltig. Im Jahr 2018 wurde der afroamerikanische Künstler Kehinde Wiley über die Social-Media-Plattform Instagram auf Boafo aufmerksam. Er kaufte eines seiner Kunstwerke und stellte Verbindungen zu diversen Galerien her. Dies führte unter anderem zu Boafos Einzelausstellung I See Me bei Roberts Projects in Los Angeles. Spätestens seitdem sorgt er mit seiner Kunst auch international für Aufsehen. So wurde sein Gemälde Orange Shirt im März dieses Jahres im Auktionshaus Christie’s in Shanghai für umgerechnet rund 1.264.000 Euro versteigert. Es bildet eine Schwarze Person auf gelben Hintergrund ab, die ihre Hände selbstbewusst in die Hüften stemmt und ein schwarzes Oberteil trägt, auf dem Orangen abgebildet sind. Doch was macht seine Kunst eigentlich so begehrt?
»In den letzten Jahren ist auf dem Kunstmarkt, aber durchaus auch auf einigen großen Kunstausstellungen ein verstärktes Interesse an afrikanischer und afroamerikanischer Kunst feststellbar. Einerseits war diese lange unterrepräsentiert, anderseits ist in Zeiten der ‚Diversity‘ und dem Hinterfragen des tradierten Kunstkanons das Bedürfnis groß, diese Kunst zu würdigen. Figurative Malerei von schwarzen Künstlerinnen und Künstlern scheint sich gerade besonders gut zu verkaufen«, meint Günther Oberhollenzer, Kurator der Landesgalerie Niederösterreich dazu auf derstandard.de. Oberhollenzer ist auch Jurymitglied beim Strabag Art Award, einem internationalen Kunstförderungspreis, den Boafo 2019 erhielt. Daneben dürften auch die Debatten um die Black-Lives-Matter-Bewegung und die gesellschaftliche Stellung von BIPOCs (Black, Indeginous and People of Colour) in den USA und der Welt eine Rolle gespielt haben.
Orange Shirt von Amoako Boafo
Ein fertiges Bild im Kopf, das nur noch auf die Leinwand muss
Es sind ebendiese Menschen, die in Boafos Kunst die tragende Rolle spielen. Er porträtiert ausschließlich Schwarze Personen, nutzt die Malerei, um seine faszinierenden Figuren zu erschaffen und die Rolle der Schwarzen Charaktere in der Bildtradition des Porträts zu würdigen. In seiner künstlerischen Praxis fasst er zusammen, wie Kunst die Macht der Repräsentation widerspiegelt, sie aufrechterhält und zum Reflektieren über Vielfalt und Komplexität animiert. Themen wie die Repräsentation Schwarzer Menschen, Verletzlichkeit, Stolz und Selbstbestimmung bilden den Kern seiner Arbeiten, in denen er das objektivierende und entmenschlichende Darstellen Schwarzer Personen negiert. »Der Hauptgedanke meiner Praxis ist die Repräsentation, das Dokumentieren, das Feiern und das Aufzeigen neuer Wege, sich dem Schwarzsein zu nähern«, wird Boafo auf der Website der Roberts Projects Gala zitiert.
Seine klaren, figürlichen Porträts fertigt er mit Ölfarbe vor flächigen, farbenfrohen Hintergründen und abstrakten Interieurs. Während er die Gesichter und Hände seiner Figuren unmittelbar mit den bloßen Fingern auf die Leinwand malt, entstehen andere Bildkomponenten mit einem ausdrucksstarken, dicken Pinselstrich. So ergibt sich ein struktureller Kontrast in seinen Werken, der seinen unverwechselbaren Stil ausmacht. Die abgebildeten Figuren bestechen oftmals durch ihre heiteren Posen, ihr Blick steht häufig im Mittelpunkt. Durch die Feinfühligkeit, mit der Boafo seine Motive wiedergibt, strahlen diese stets Wertschätzung aus. Seine Bilder werden als virtuos, intensiv und sinnlich beschrieben. Mit einer leichten Vertrautheit drücken sie die Dynamik des täglichen Lebens aus. Boafo überlässt dabei kaum etwas dem Zufall: »Eigentlich ist das Bild schon fertig, bevor ich überhaupt anfange zu malen. Es entsteht in meinem Kopf. Ich weiß schon vorher, was daraus wird«, erklärt er im Interview mit der Deutschen Welle.
Einige Auktionsergebnisse der Werke von Amoako Boafo
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