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Wilhelm Lehmbruck
Büste der Knienden (Geneigter Frauenkopf)
Estimate: 250.000 - 300.000 EUR
Price realised: 628.000 EUR
Price realised: 628.000 EUR
Description
1912-1914
Terrakotta Höhe 43 cm, Breite 41,5 cm, Tiefe 21 cm Rückseitig unten rechts mit der eingeritzten Signatur "W. LEHMBRUCK" versehen. Inwändig mit einem Etikett der Galerie Flechtheim, darauf handschriftlich bezeichnet "W. Lehmbruck / Geneigter Frauenkopf" sowie mit der Nummer "13419" und einem Schweizer Zollstempel versehen, einem Etikett des Kunstmuseums Basel, darauf bedruckt "Leihgabe" und handschriftlich bezeichnet "Lehmbruck / Geneigter Frauenkopf (Büste) / Sammlung Simon", einem Etikett der Kunstspeditionsfirma James Bourlet & Sons Ltd. (London), weiteren Stempeln in blau und rot sowie Nummerierungen mit blauer Kreide. Eines der 6 bei Schubert dokumentierten alten Terrakotta-Exemplare, die zu Lebzeiten des Künstlers entstanden sind. Von diesen befinden sich 4 im Museumsbesitz (Museum Ludwig, Köln; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Kirchner Museum, Davos; Österreichische Galerie, Wien). - In sehr gutem Zustand. Oberflächlich zum Teil geringfügig verschmutzt. Einige wen
Am 28. Januar 1915 schreibt der Frankfurter Kunsthändler Ludwig Schames an Georg Swarzenski, seit 1906 Direktor des Städel'schen Kunstinstituts in Frankfurt am Main: „Ihrem mir freundlichst geäußerten Wunsch nachkommend, beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß Lehmbruck mir den Preis des in drei Exemplaren existierenden Mädchenkopf in Bronze mit M 1.100,- und des ebenfalls in 3 Exemplaren existierenden Terracottakopfes mit M 450,- angegeben hat. Ich darf beide so lange hier behalten, bis Sie mir im neuen Etatjahr Ihren freundlichen Bescheid geben werden.“ (Städel-Archiv) Ein Jahr später, im Januar 1916, wird Swarzenski die Terrakotta der Büste der Knienden von 1912 für die Städtische Galerie ankaufen (1937 beschlagnahmt, heute Kirchner Museum Davos, Stiftung Baumgarten-Möller). Bleiben zumindest noch 2 Exemplare in Terrakotta übrig. Und hat vielleicht eine davon den Weg über die Galerie Flechtheim in die Sammlung Hugo Simon gefunden?
Lehmbruck schreibt von einer „Geneigte Terrakotta“ in einem Brief 1918 an Swarzenski. Paul Westheim betitelt die Plastik schließlich 1919 in der Monografie zu Lehmbruck: „Kopf der Knienden, Terrakotta“. Material-Angaben wie Terrakotta, mal auch Kunststein stehen also für ein und dieselbe Arbeit! Bleiben wir noch kurz für einen ergänzenden Aspekt bei der Betrachtung der Büste der Knienden. Diese Büste ist ein hervorgehobenes Detail der überlebensgroßen Plastik der "Knienden", die Lehmbruck 1911 in Paris separiert. Von Anita Lehmbruck als „Geneigter Frauenkopf“ betitelt, 'schneidet' der Bildhauer die Büste entweder oberhalb der Brust (Exemplar heute im Kirchner Museum Davos), oder mitten durch die Brustspitzen, wie hier typisch an dieser Terrakotta aus der Sammlung von Hugo Simon zu sehen. Die Büste der "Knienden" ist sowohl in Terrakotta als auch in getöntem Steinguss überliefert, wenige Bronzen davon zu Lebzeit sind bekannt, etwa in der zeitgenössischen Sammlun
Mit der Wahl unterschiedlicher Werkstoffe für die gleiche Gussform variiert und intensiviert Lehmbruck Feinheiten im Ergebnis. Die Zusammensetzung respektive Mischung der künstlich entworfenen Werkstoffe nimmt erheblichen Einfluss auf die ästhetische Aussage und damit auch auf die Höhe der Auflage. Ein massiv belassener, je nach den Anteilen mehr oder weniger grauer Zementguss hat nicht die Wärme etwa einer Terrakotta und kann auch kaum das Grundsätzliche eines Gipses verdrängen. Allerdings scheint Lehmbruck mit dieser Breite an spielbaren Möglichkeiten zu spekulieren und entsprechend aufgefordert, Ausstellungen zu bestücken. Deren Zusammensetzung variiert von Thema zu Thema, von Figur zu Figur: gebrannte Terrakotta aus rötlichem oder ockerfarbigen pigmentiertem Ton, gegossener Gips mit oder ohne Tönung, Stuck (stucco), eine Mischung aus feinem Sand, Gips und Kalk, Gestaltung der Oberfläche mit Pigmenten oder Schellack. Verfeinern lässt sich diese empirische Statistik mit
Schon Julius Meier-Graefe ist bei seinem Atelierbesuch in Paris 1910/1911 nicht nur die neue Form aufgefallen, die Nacktheit, die uns in klassischen Materialien wie Gips, Stein (Marmor) und Bronze begegnen, sondern auch die Experimentierfreude des jungen deutschen Bildhauers in Paris, der zusätzlich mit Terrakotta, gefärbtem Gips und Steingussmischungen arbeitet. Er bemerkt die unterschiedlichen Oberflächen und Farbwirkungen, beschreibt die Fragmentierung, eine Art Zerstückelung, mit der Lehmbruck seinen Skulpturen einen Weg bahnt, die Anmutung klassischer Werkformen in der Bildhauerei des 19. Jahrhunderts in die Moderne zu überführen. „Variationen,“ so Meier-Graefe an anderer Stelle feststellend, „die den Betrachter mit der Mischung von Größen und Geschmeidigkeit vertraut machten. Er liebte gewisse Drehungen des Kopfes, der Hüften, um das Licht spielen zu lassen, und enthüllte dabei weitere Eigenschaften seines Frauentyps.“ (Frankfurter Zeitung vom 5. Januar 1932. Ab
Es besteht keine Zweifel daran, dass Lehmbruck, nachdem er eine Figur wie die „Kniende“ komplett findet, die von ihm unterschiedlich dimensionierten Teilfiguren in unterschiedlichen Materialen und Farben ausführen lässt und besonders den Kopf als Büste sodann eigenständig herausstellt. Selbst dem Torso, ein von Rodin als eigenständige Teilfigur im Kanon der Bildhauer um die Jahrhundertwende neu inszeniert, erhält Lehmbruck überwiegend den Kopf, um die Anmut des körperlichen Ganzen auch ohne Gliedmaßen beizubehalten - Rodins rüdes Vorgehen begegnet Lehmbruck mit einer versöhnlichen Geste. Wirkung und Eindruck verändern sich somit, das Instabile und Fragile tritt in den Vordergrund, werden in ihrer zuweilen herausgestellten Abwendung vom Betrachter zum Vehikel einer harmonischen Silhouette. Lehmbruck inszeniert hingegen mit den weiblichen wie männlichen Büsten eine spezielle, beseelte Aura, die auch bei aller Formenreduktion, vielleicht auch Vereinfachung des Gesehenen
Galerie Flechtheim, Düsseldorf-Berlin; Sammlung Hugo Simon, Berlin-Paris; Buchholz Gallery (Curt Valentin), New York; John Cowles, USA; Privatsammlung USA
Terrakotta Höhe 43 cm, Breite 41,5 cm, Tiefe 21 cm Rückseitig unten rechts mit der eingeritzten Signatur "W. LEHMBRUCK" versehen. Inwändig mit einem Etikett der Galerie Flechtheim, darauf handschriftlich bezeichnet "W. Lehmbruck / Geneigter Frauenkopf" sowie mit der Nummer "13419" und einem Schweizer Zollstempel versehen, einem Etikett des Kunstmuseums Basel, darauf bedruckt "Leihgabe" und handschriftlich bezeichnet "Lehmbruck / Geneigter Frauenkopf (Büste) / Sammlung Simon", einem Etikett der Kunstspeditionsfirma James Bourlet & Sons Ltd. (London), weiteren Stempeln in blau und rot sowie Nummerierungen mit blauer Kreide. Eines der 6 bei Schubert dokumentierten alten Terrakotta-Exemplare, die zu Lebzeiten des Künstlers entstanden sind. Von diesen befinden sich 4 im Museumsbesitz (Museum Ludwig, Köln; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Kirchner Museum, Davos; Österreichische Galerie, Wien). - In sehr gutem Zustand. Oberflächlich zum Teil geringfügig verschmutzt. Einige wen
Am 28. Januar 1915 schreibt der Frankfurter Kunsthändler Ludwig Schames an Georg Swarzenski, seit 1906 Direktor des Städel'schen Kunstinstituts in Frankfurt am Main: „Ihrem mir freundlichst geäußerten Wunsch nachkommend, beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß Lehmbruck mir den Preis des in drei Exemplaren existierenden Mädchenkopf in Bronze mit M 1.100,- und des ebenfalls in 3 Exemplaren existierenden Terracottakopfes mit M 450,- angegeben hat. Ich darf beide so lange hier behalten, bis Sie mir im neuen Etatjahr Ihren freundlichen Bescheid geben werden.“ (Städel-Archiv) Ein Jahr später, im Januar 1916, wird Swarzenski die Terrakotta der Büste der Knienden von 1912 für die Städtische Galerie ankaufen (1937 beschlagnahmt, heute Kirchner Museum Davos, Stiftung Baumgarten-Möller). Bleiben zumindest noch 2 Exemplare in Terrakotta übrig. Und hat vielleicht eine davon den Weg über die Galerie Flechtheim in die Sammlung Hugo Simon gefunden?
Lehmbruck schreibt von einer „Geneigte Terrakotta“ in einem Brief 1918 an Swarzenski. Paul Westheim betitelt die Plastik schließlich 1919 in der Monografie zu Lehmbruck: „Kopf der Knienden, Terrakotta“. Material-Angaben wie Terrakotta, mal auch Kunststein stehen also für ein und dieselbe Arbeit! Bleiben wir noch kurz für einen ergänzenden Aspekt bei der Betrachtung der Büste der Knienden. Diese Büste ist ein hervorgehobenes Detail der überlebensgroßen Plastik der "Knienden", die Lehmbruck 1911 in Paris separiert. Von Anita Lehmbruck als „Geneigter Frauenkopf“ betitelt, 'schneidet' der Bildhauer die Büste entweder oberhalb der Brust (Exemplar heute im Kirchner Museum Davos), oder mitten durch die Brustspitzen, wie hier typisch an dieser Terrakotta aus der Sammlung von Hugo Simon zu sehen. Die Büste der "Knienden" ist sowohl in Terrakotta als auch in getöntem Steinguss überliefert, wenige Bronzen davon zu Lebzeit sind bekannt, etwa in der zeitgenössischen Sammlun
Mit der Wahl unterschiedlicher Werkstoffe für die gleiche Gussform variiert und intensiviert Lehmbruck Feinheiten im Ergebnis. Die Zusammensetzung respektive Mischung der künstlich entworfenen Werkstoffe nimmt erheblichen Einfluss auf die ästhetische Aussage und damit auch auf die Höhe der Auflage. Ein massiv belassener, je nach den Anteilen mehr oder weniger grauer Zementguss hat nicht die Wärme etwa einer Terrakotta und kann auch kaum das Grundsätzliche eines Gipses verdrängen. Allerdings scheint Lehmbruck mit dieser Breite an spielbaren Möglichkeiten zu spekulieren und entsprechend aufgefordert, Ausstellungen zu bestücken. Deren Zusammensetzung variiert von Thema zu Thema, von Figur zu Figur: gebrannte Terrakotta aus rötlichem oder ockerfarbigen pigmentiertem Ton, gegossener Gips mit oder ohne Tönung, Stuck (stucco), eine Mischung aus feinem Sand, Gips und Kalk, Gestaltung der Oberfläche mit Pigmenten oder Schellack. Verfeinern lässt sich diese empirische Statistik mit
Schon Julius Meier-Graefe ist bei seinem Atelierbesuch in Paris 1910/1911 nicht nur die neue Form aufgefallen, die Nacktheit, die uns in klassischen Materialien wie Gips, Stein (Marmor) und Bronze begegnen, sondern auch die Experimentierfreude des jungen deutschen Bildhauers in Paris, der zusätzlich mit Terrakotta, gefärbtem Gips und Steingussmischungen arbeitet. Er bemerkt die unterschiedlichen Oberflächen und Farbwirkungen, beschreibt die Fragmentierung, eine Art Zerstückelung, mit der Lehmbruck seinen Skulpturen einen Weg bahnt, die Anmutung klassischer Werkformen in der Bildhauerei des 19. Jahrhunderts in die Moderne zu überführen. „Variationen,“ so Meier-Graefe an anderer Stelle feststellend, „die den Betrachter mit der Mischung von Größen und Geschmeidigkeit vertraut machten. Er liebte gewisse Drehungen des Kopfes, der Hüften, um das Licht spielen zu lassen, und enthüllte dabei weitere Eigenschaften seines Frauentyps.“ (Frankfurter Zeitung vom 5. Januar 1932. Ab
Es besteht keine Zweifel daran, dass Lehmbruck, nachdem er eine Figur wie die „Kniende“ komplett findet, die von ihm unterschiedlich dimensionierten Teilfiguren in unterschiedlichen Materialen und Farben ausführen lässt und besonders den Kopf als Büste sodann eigenständig herausstellt. Selbst dem Torso, ein von Rodin als eigenständige Teilfigur im Kanon der Bildhauer um die Jahrhundertwende neu inszeniert, erhält Lehmbruck überwiegend den Kopf, um die Anmut des körperlichen Ganzen auch ohne Gliedmaßen beizubehalten - Rodins rüdes Vorgehen begegnet Lehmbruck mit einer versöhnlichen Geste. Wirkung und Eindruck verändern sich somit, das Instabile und Fragile tritt in den Vordergrund, werden in ihrer zuweilen herausgestellten Abwendung vom Betrachter zum Vehikel einer harmonischen Silhouette. Lehmbruck inszeniert hingegen mit den weiblichen wie männlichen Büsten eine spezielle, beseelte Aura, die auch bei aller Formenreduktion, vielleicht auch Vereinfachung des Gesehenen
Galerie Flechtheim, Düsseldorf-Berlin; Sammlung Hugo Simon, Berlin-Paris; Buchholz Gallery (Curt Valentin), New York; John Cowles, USA; Privatsammlung USA
Upper estimate price exceeded by more than 100%
This artwork by Wilhelm Lehmbruck achieved an unexpectedly high price at Lempertz in Cologne in June 2018. In the Moderne Kunst auction, the work Büste der Knienden (Geneigter Frauenkopf) sold for EUR 628,000.00 - well above the upper estimate of EUR 300,000.00. Despite this good result, it is not the highest hammer price for an artwork by Wilhelm Lehmbruck; that achieved among the auctions we observed the lot Torso Eines Jungen Weibes sold at auction in June 2001 with the realized price of GBP 608,750.00 (€ 1,011,254.87).
Oberer Schätzpreis um mehr als 100% übertroffen
Dieses Kunstwerk von Wilhelm Lehmbruck erzielte im Juni 2018 bei Lempertz in Köln einen unerwartet hohen Preis. In der Auktion Moderne Kunst wurde die Arbeit Büste der Knienden (Geneigter Frauenkopf) für EUR 628.000,00 versteigert – und damit weit über dem oberen Schätzpreis von EUR 300.000,00. Trotz des guten Ergebnisses ist dies nicht der höchste Zuschlag für ein Kunstwerk von Wilhelm Lehmbruck; den erzielte unter den von uns beobachteten Auktionen die Arbeit Torso Eines Jungen Weibes im Juni 2001 mit dem Hammerpreis von GBP 608.750,00 (€ 1.011.254,87).