Kunstmarkt

Wie schätzt man den Preis eines Künstlers oder einer Künstlerin ein?

Kunstsammlerinnen und -sammler fordert es genau wie Künstlerinnen und Künstler heraus, einen adäquaten Preis für ein Objekt vorzuschlagen. Um den Preis richtig einschätzen zu können, muss man im Grunde nur der Logik folgen, die hinter der Kalkulation steckt. Steht man kurz vor dem Kauf, erleichtern einige Faktoren diese oft knifflige Beurteilung.

von Bettina Röhl, 20. September 2022
Estimating the price is not always easy.
Unsplash
Den Preis einzuschätzen ist nicht nicht immer einfach.

Galerien halten sich bei der Preisangabe oft bedeckt. Das hat verschiedene Gründe. Sie können sich so zum Beispiel offenhalten, spontan auf Preisanfragen zu reagieren oder sich auf Vorschläge einzulassen. Ob der vorgeschlagene Preis angemessen ist, kann man nicht in jedem Fall wissen – etwa bei Marktneulingen. Möchte man selbst gern ein realistisches Angebot abgeben, will man auch nicht völlig ahnungslos in die Verhandlung gehen. Wie schätzt man den Preis eines Künstlers oder einer Künstlerin also ein? 

Um durchzublicken, wie man eine Künstlerin oder einen Künstler preislich einschätzt, muss man erst einmal wissen, wie Galerien und Freischaffende ihre Preise selbst kalkulieren. Mit dem Know-how über gängige Kalkulationsmethoden rechnet man dann einfach zurück – und erhält eine grobe Einschätzung darüber, wie viel die Arbeit des- oder derjenigen wert sein könnte. 

Preise von Künstlerinnen und Künstlern recherchieren

Recherche heißt das Zauberwort. Bevor man diese Formel anwendet, muss man erst einmal einige Eckdaten über den Künstler oder die Künstlerin herausfinden. Steht die Person bei einer Galerie unter Vertrag oder baut sie ausschließlich auf Selbstvermarktung? – Ein erstes wichtiges Indiz, da die Galerie bei einem Verkauf rund 50% des Preises erhält. Soloselbstständige sind also für Sammelnde grundsätzlich günstiger. 

Hat der Künstler oder die Künstlerin bereits Werke verkauft? Falls ja, kann man versuchen, die Preise hierfür zu ermitteln. Zugegeben, das ist auch nicht immer ganz einfach, finden die Geschäfte oft auf privater Ebene statt. Konnten Interessierte aber tatsächlich eine Preisspanne recherchieren, können sie diese durchaus als Anhaltspunkt nutzen. Günstiger wird es nämlich in der Regel nicht: Am Kunstmarkt herrscht die ungeschriebene Regel, dass ein Preis niemals sinken, sondern tendenziell steigen sollte.

Es gibt zwar auch Kunstschaffende, die ihre Preise intuitiv festlegen, allerdings kommt das eher selten vor. Ihnen ist klar, dass sie auf diese Weise ordentlich daneben liegen und sich vielleicht auch blamieren könnten. Gerade am Anfang einer Karriere besteht da die Gefahr, sich zu unter- oder überschätzen. 

Diese Formel nutzen Galerien und Kunstschaffende zur Preiskalkulation

Die gängigste Methode der Preiskalkulation setzt sich aus einer Formel und dem etwas mystischen Künstlerfaktor zusammen. In Europa und den USA sind das meist diese beiden Formeln. 

  • In Europa addiert man Länge und Breite eines Bildes (in Zentimetern) und multipliziert das Ergebnis mit besagtem Künstlerfaktor: (L + B) x Künstlerfaktor. Das Ergebnis ist der Preis (in Euro). Also etwa (150 cm + 50 cm) x 5 = 1.000 Euro.
  • Auf dem US-amerikanischen Kunstmarkt dominiert die square inch formula, bei der auch Breite und Höhe miteinander multipliziert werden, während der Künstlerfaktor niedriger ausfällt: L x H x Künstlerfaktor. Man geht also von der Fläche aus. 

Bei Skulpturen, Plastiken etc. zählt auch die Tiefe mit hinein. Sie sind grundsätzlich etwas teurer und es gilt, den Faktor hier etwas höher anzusetzen. 

Wie wird der Künstlerfaktor festgelegt?

Der Künstlerfaktor ist etwas schleierhaft. Bei absoluten Neulingen variiert er zwischen 3 und 10, während die Grenzen nach oben hin wie immer offen sind. Für die Künstlerin oder den Künstler selbst gibt es viele Anhaltspunkte, wie sie den Faktor festlegen können. Außenstehende Personen, die diese Preise einschätzen wollen, müssen diese Kriterien recherchieren, um die Formeln zu entschlüsseln. Der Faktor hängt von diesen Kriterien ab:

  • Studium und Abschluss (ggf. Ansehen der Akademie) 
  • War die Person ein Meisterschüler oder eine Meisterschülerin?
  • Ist sie Mitglied in einem künstlerischen Berufsverband? 
  • Wie viel Berufserfahrung bringt der Künstler oder die Künstlerin mit? 
  • Gibt es Auszeichnungen, Preise, Stipendien? 
  • Gibt es Publikationen in Presse, Katalogen etc. Wie sieht die allgemeine Medienpräsenz aus?
  • Ausstellungsverhalten? Wie häufig und wo stellen Museen und Galerien die Person aus? 
  • Gibt es eine Galerievertretung?
  • Ist die Person in öffentlichen und privaten Sammlungen, Museen usw. vertreten? 
  • Verkauft sie bereits regelmäßig? 
  • Besteht eine Lehrtätigkeit oder Ähnliches? 
  • Gibt es Infos über Weiterbildungen? 
  • Ist die Person aktives Mitglied einer Künstlervereinigung? 

Klar, eine Person, die alle Kriterien erfüllt, wird einen ziemlich hohen Faktor ansetzen und umgekehrt. Leider legt der Kunstmarkt nicht genau fest, wie hoch die jeweiligen Aspekte gewichtet werden und wie sie sich genau auf den Faktor auswirken. Das macht es mitunter so schwer, sich eine Vorstellung vom Verkaufspreis zu machen. Ein guter Anhaltspunkt sind dann ähnliche Werke und Kunstschaffende mit ähnlicher Biografie. Ein Preisvergleich kann hier vielleicht helfen. Die Formel verrät übrigens nur etwas über den Nettopreis. Die Mehrwertsteuer und der eventuelle Galerieerlös kommen meist noch obendrauf. Da spielt es wieder eine Rolle, ob die Künstlerin oder der Künstler selbstständig arbeiten, ob sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen und ob eine Galerievertretung im Spiel ist. 

Weitere Faktoren zur Preiseinschätzung

Manche beziehen neben dem Künstlerfaktor auch Materialkosten und den Stundenlohn mit ein. Das kann man natürlich nicht wissen, doch ist die Formel dann ein gutes Argument, um bei einem gefühlt »zu hohen Preis« einen Gegenvorschlag zu tätigen – das Ergebnis kann man durchaus als »marktüblich« betrachten. 

Ist es zu schwer, etwas über die Person herauszufinden? In diesem Fall kann man davon ausgehen, dass sie noch neu auf dem Markt ist und noch nicht viel Arbeitserfahrung oder Verkäufe gesammelt hat. Der Faktor ist im Zweifelsfall also eher niedriger und schwierige Recherchen ein Argument für einen niedrigeren Preis. Art.Salon

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