Weng Fine Art unterbreitet freiwilliges Erwerbsangebot von Artnet-Aktien

Artnet: zum Strukturwechsel gezwungen?

Die wichtigste externe Aktionärin der Artnet AG, die Weng Fine Art AG, will allen Aktionären ein freiwilliges Erwerbsangebot unterbreiten – und ihren eigenen Anteil knapp unter die Kontrollschwelle von 30% treiben. Sie reißt damit alte Wunden auf und stochert in Artnets Unternehmensstruktur – was hat sie vor?

24. October 2022
Weng Fine Art AG increases its share in Artnet AG with a voluntary purchase offer.
Sigmund | unsplash.com
Die Weng Fine Art AG erhöht ihren Anteil an der Artnet AG mit einem freiwilligen Erwerbsangebot.

Die Weng Fine Art AG (WFA), wichtigste externe Aktionärin der Artnet AG, gab am 19. September 2022 bekannt, dass sie den anderen Aktionären der Kunstplattform ein freiwilliges, öffentliches Erwerbsangebot unterbreiten wolle. Dieses »sonstige Erwerbsangebot« überraschte. Die 30% Kontrollschwelle überschreitet die Weng Fine Art damit nämlich nicht – und das sei auch nicht gewünscht. Sie hat vor, ihren Anteil nur auf knapp unter 30% anzuheben. Als Gegenleistung bietet sie den Artnet-Aktionären einen Aktienstückpreis von 7,20 Euro. Mit dieser Offerte gibt die WFA den Aktionären eine Chance, »eine größere Anzahl von Artnet-Aktien zu einem, trotz der aktuell schlechten Geschäftslage, interessanten Preis abzugeben.« Vor dem Angebot hätten diese nur wenige ihrer Artnet-Aktien für über fünf Euro verkaufen können. 

Ganz ohne Hintergedanken agiert die WFA natürlich nicht. Sie ist die wichtigste externe Aktionärin der Artnet AG (Artnet) – neben der Galerie Neuendorf AG, die dem ehemaligen Artnet-Vorstand Hans Neuendorf gehört. Und genau da liegt der Hund begraben: Neuendorf entledigte sich zwar der Leitungsposition, operiert nun aber doch nicht ganz so »ehemalig«.

Wer führt wen? 

2021, vor der Hauptversammlung, plädiert Weng-Fine-Chef Rüdiger K. Weng bereits für einen Strukturwechsel der Artnet, weil er eine Vorahnung hatte. Die WFA verabredete deshalb mit Artnet, sich einer freiwilligen Sonderprüfung zu unterziehen.

Der Prüfungsbericht enthüllte dann genau das, was Rüdiger Weng gewittert hatte: Dass unklar ist, inwiefern Vorstand Jacob Pabst die Geschäftsleitung tatsächlich eigenverantwortlich erfüllt. Der ehemalige Vorsitz Hans Neuendorf, Pabsts Vater, könnte mehr als nur beraten – was seine eigentliche und ganz offizielle Aufgabe ist. Insgeheim fürchten sowohl der Prüfer als auch die WFA, dass Neuendorf bei der Artnet-Führung die Strippen weiterhin durch die Hintertür zieht. Diese intransparente Funktionstrennung bemängelt der Prüfer – sie verstößt gegen das Aktiengesetz und unternehmerische Grundsätze. 

Auf die diffuse Arbeitsteilung wies etwa der Arbeitsvertrag von Sohn Pabst hin: Artnet habe ihn verlängert, dem Prüfer lag das Dokument aber nur undatiert und nicht unterschrieben vor. Gleichwohl schreibt der Beratervertrag von Vater Neuendorf 15 Arbeitstage im Monat für 28.000 Euro Monatsgehalt vor – und das, obwohl »keinerlei schriftliche Nachweise über die erbrachten Leistungen vorliegen«. Die WFA schlussfolgert daraus, dass sich hinter dem überdurchschnittlichen Beraterhonorar eine »verkleidete Alterspension« verstecke. Daneben legte der Prüfungsbericht einige weitere finanzielle Ungereimtheiten offen, wie etwa nebulöse Reise- und Spesenabrechnungen, angebliche Gehaltszahlungen, Buchungen der Galerie Neuendorf AG ohne wirtschaftlichen Zusammenhang und außerdem keine vertragliche Grundlage für die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Die WFA erklärt sich so auch, warum »der Aufsichtsrat von Artnet seit Jahren seine Kontrolle vernachlässigt«.

Ein selbsternanntes Familienunternehmen

Weng drängt schon seit einiger Zeit auf eine strukturelle Veränderung der Artnet AG. Er kritisiert, dass der 85-Jährige »Familienpatriarch« Neuendorf die Artnet zum »selbsternannten Familienunternehmen« verkommen ließe: Alleinvorstand ist sein Sohn Jacob, die Stelle des Chief Strategy Officer im Artnet-Management übernimmt Sohn Albert, während Sohn Henri erst für redaktionelle Inhalte verantwortlich war und nun Contemporary Art Specialist ist. Dann gibt es noch die Schwiegertochter, die dem neu gegründeten NFT-Department vorsteht, und Tochter Sophie, die die Unternehmenskommunikation leitet. An sich wäre das vielleicht nicht so schlimm, wenn die Artnet nicht seit ihrem Börsengang 1999 einen Konzern-Verlustvortrag von fast 53 Mio. USD angehäuft hätte. Seitdem konnte sie keine einzige Dividende an ihre Aktionäre ausschütten. An diesem schwachen kaufmännischen und strategischen Management muss sich nun etwas ändern, findet die WFA. 

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war für Wenig deshalb wahrscheinlich die Jahreshauptversammlung Anfang September 2022: Neuendorf hat es mit einem Ergebnis in den Aufsichtsrat geschafft, das kaum hätte knapper ausfallen können – mit 50,7 zu 49,3 Prozent.

Was will die Weng Fine Art erreichen?

Die WFA sieht ganz klar verschwendetes Potenzial in der Besetzung der Artnet, das nur eine Neuverteilung entfachen kann: »Nach Einschätzung der WFA kann Artnet nur mit Unterstützung eines finanzkräftigen Partners unternehmerisch erfolgreich werden. Mit den Mitteln aus einer Kapitalerhöhung könnte Artnet ihre Position auf dem Kunstmarkt festigen und ausbauen. Um die notwendigen Handlungs- und Gestaltungsoptionen zu eröffnen, ist eine Neubesetzung [...] unbedingt erforderlich.«

Dass die WFA ihren eigenen Anteil nun durch das freiwillige Erwerbsangebot bis kurz unter die Kontrollschwelle erhöhen will, ist ein strategischer Schachzug. Die Galerie Neuendorf AG besitzt derzeit nämlich 27% der Artnet-Aktien. Nur ein Prozent mehr und die WFA hätte die »Oberhand« über ihren Widersacher – und mehr Einfluss, auch ohne Stimmrechtmehrheit. 

Vor allem im Bereich des mobilen Online-Kunsthandels will die WFA die Artnet auf den neuesten Stand bringen. Als Big Player zeige sich die Artnet darin weiterhin kaum präsent und habe »bisher auch keine Strategie dazu kommuniziert«, begründet die WFA mit Ergebnissen ihrer eigenen Tochterfirma ArtXX AG. Sie zeigten auch, dass der E-Commerce im Kunstmarkt äußerst wachstumsstark sei. Trotz allen Drängens auf einen Paradigmenwechsel besteht bei der WFA derzeit keine Absicht, die 30% zu überschreiten – zumal das Unternehmen dann allen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten müsste. Art.Salon

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