Kunstmarkt

Warum ist der Kunstmarkt so intransparent?

Wer sich eine Immobilie als Wertanlage kauft, lässt sich erst einmal beraten. Standort, Zustand, Alter, Bauart, Größe – die Informationen fließen und die Höhe des Preises steht fest. Anders sieht es im Kunstmarkt aus: Wer legt hier eigentlich wonach die Preise fest?

von Bettina Röhl, 26. September 2022
Sich Kunst als Wertanlage zuzulegen, ist zwar chic, aber äußerst ungewiss.
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Die Wertsteigerung von Kunstwerken ist ungewiss.

Anders als bei Börsenkursen oder dem Immobilienmarkt wissen Außenstehende nicht, wie sich der Wert eines Kunstwerkes konstituiert. Wer bestimmt eigentlich, wann ein Künstler oder eine Künstlerin sich auf den aufsteigenden Ast begibt? Woher soll ich wissen, wie viel Stil und Material einmal wert sein werden? Zur Kunst gibt es (noch) keine Vermögensberatung – obwohl es chic ist, sie zu sammeln. Kunstwerke sind längst als Kapitalanlage zu begreifen. 

Trotzdem scheint sich der gesamte Markt unterirdisch abzuspielen. Unter Verschluss sozusagen. Konkrete Zahlen an die Oberfläche zu kitzeln, die Marktbewegung für alle zu öffnen, daran haben sich schon verschiedenste Finanz- und Kunstexpertinnen und -experten probiert. Der Sammelband ArtInvestor (2002) bot vor zwanzig Jahren 56 Autorinnen und Autoren eine Bühne, um den Kunstmarkt etwas mehr zu perforieren. Die Herausgeber: Künstlerin Rissa, Steuerberater Lothar Pues und Edgar Quadt, Herausgeber der gleichnamigen Plattform artinvestor.de. Alle Publikationen kamen darin überein, dass es äußerst schwer ist, Trends und Preise am Kunstmarkt zu durchblicken – geändert hat sich das bis heute nicht.

Wert ist nicht gleich Preis

Dass der Kunstmarkt so intransparent ist, liegt daran, dass er von Insidern, dem Sekundärmarkt und wenigen Superreichen gesteuert wird – und, dass es keine klaren Bewertungskriterien gibt. Codes, auf die man sich hier geeinigt hat, bestimmen, wer wie viel verlangen kann. Sie zu dechiffrieren: schwierig. Zu welchem Preis Immobilien oder Autos gehandelt werden, ist leicht herausgefunden. Investitionswillige verschaffen sich einen Überblick, wann immer sie bereit sind, ihr Geld umzuverteilen. Zur Not gibt es hier ja auch jede Menge Beratungsangebote, auf die sie sich verlassen können – grob wissen sie, was auf sie zukommt. Und es gibt eine Verhandlungsgrundlage.

Kunstsammlerinnen und -sammler gehen damit aber nicht so offen um. So heißt es, dass Glaubwürdigkeit eines der Kriterien sei, das sie heranziehen, um zu spekulieren, in welche Richtung die Wertkurve ausschlagen wird. Aus diesem Wert aber den Preis abzuleiten, ist laut Hubert Thurnhofer allerdings schlicht falsch. Er rät in seinem Buch die Kunstmarkt-Formel (2014), bei einem Kunstwerk strikt zwischen Wert und Preisbildung zu unterscheiden. Das seien nämlich zwei völlig unterschiedliche Dinge: »Der Wert eines Kunstwerkes wird durch den Schöpfungsprozess des Künstlers hervorgebracht, dieser Wert an sich kann sich auch nicht ändern. Ändern kann sich nur der Preis für jedes Kunstwerk, das heißt, ändern kann sich nur der Wert für den Käufer.«

Demnach entscheiden diejenigen, die den Markt »machen«, Thurnhofer nennt sie die Market-Maker, den Preis. Er zählt auch Museumsdirektoren dazu. Sie bewegen viel Geld, obwohl sie sich selbst als marktunabhängig betrachten – und zwar, indem sie entscheiden, wie viel Zeit und Geld sie in die Vermarktung einer Arbeit stecken. Zum Beispiel in Form von Publikationen, Ausstellungen und Kunstmessen: »Somit ist das Marketing für die Bewertung eines Kunstwerkes zwar unerheblich, für die Preisbildung jedoch wichtiger als in jedem anderen Markt.«

Faszination Ermessensfrage

Kunsthändler Iwan Wirth schätzt diese Intransparenz bei der Preisbildung als »großartig« ein. Er unterstreicht in einem Interview mit dem Magazin Bilanz, dass der Zustand in der Natur der Sache begründet liege. Kunst sei nun mal nicht kalkulierbar wie die Herstellung und der Verkauf von Waren der »normalen« Wirtschaft. Es sei die Faszination dafür, dass es eine reine Frage des Ermessens, der Lust und des Portemonnaies sei, die diesen Preis bestimmen. Ziemlich lapidar diese Begründung, aber vielleicht ist mehr dran, als man meint. 

Kunsthistoriker Dieter Ronte resümiert diese ernüchternde Gewissheit im oben erwähnten ArtInvestor-Sammelband sehr treffend: »Im Falle der Kunst gibt es keine objektiv überprüfbaren Kriterien, mit deren Hilfe man die Qualität beurteilen könnte. Man kann nicht einmal objektiv sagen, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt Kunst ist oder nicht.«

Wer wirklich wissen will, wie sich der Markt entwickelt, muss selbst wagen zu investieren. Vor Verlusten darf man keine Angst haben, aber so scheint das Risiko der einzige Weg zu sein, um Klarheit zu gewinnen.
Art.Salon

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Kunstmarkt

Kunstsammlerinnen und -sammler fordert es genau wie Künstlerinnen und Künstler heraus, einen adäquaten Preis für ein Objekt vorzuschlagen. Um den Preis richtig einschätzen zu können, muss man im Grunde nur der Logik folgen, die hinter der Kalkulation steckt. Steht man kurz vor dem Kauf, erleichtern einige Faktoren diese oft knifflige Beurteilung.

von Bettina Röhl, 20. September 2022
London, Tate Britain

Es war eines der bewegendsten Jahrzehnte in der Geschichte des Vereinigten Königreichs: die 1980er, geprägt von Streiks, Protesten, AIDS. Fotografinnen und Fotografen dokumentierten diese Zeit und wurden durch ihre Bilder zum Teil selbst zu politischen Aktivisten. Die Ausstellung The 80s: Photographing Britain eröffnet am 21. November in der Tate Britain in London.

21. November 2024