Documenta fifteen: Rücktritt der Generaldirektorin

Sabine Schormann: ein überfälliger Schritt?

Die documenta fifteen machte mit der Eröffnung anders als sonst fast ausschließlich Negativschlagzeilen. Die Bannerinstallation People's Justice vom indonesischen Kollektiv Taring Padi schockierte mit antisemitischer Bildsprache. Ausreden, Entschuldigungen und Zurückhaltung der Beteiligten gipfeln nun im Rücktritt der (Ex-)Generaldirektorin Schormann. War das längst überfällig? 

18. July 2022
documenta fifteen: Sabine Schormann auf einer Pressekonferenz im Auestadion Kassel am 15. Juni 2022.
Foto: Nicolas Wefers
documenta fifteen: Sabine Schormann auf einer Pressekonferenz im Auestadion Kassel am 15. Juni 2022.

Die documenta fifteen steht unter keinem guten Stern. Die fast 70 Jahre alte Weltkunstausstellung steckt in einer Krise. Die künstlerische Leitung überließ sie dem indonesischen Kollektiv ruangrupa. Es agierte undurchsichtig, losgelöst von höheren Instanzen, und bereits im Januar keimten Antisemitismusvorwürfe auf. Damals ging es um die Unterstützung des palästinensischen Kollektivs The Question of Funding, das antisemitische und antizionistische Standpunkte vertreten soll. Daneben soll die ruangrupa der Israel-Boykottbewegung BDS nahestehen. Dass im Gegenzug keine israelischen oder jüdischen Kunstschaffenden zur wichtigsten Kunstausstellung der Welt eingeladen wurden, stieß ebenso sauer auf. Nach jeder Menge Zurückweisungen passierte dann am Tag der Eröffnung der Supergau. Die indonesische Gruppe Taring Padi installiert ihr bis dahin geheim gehaltenes Banner People's Justice (2002) in der Kasseler Innenstadt. Darauf zu sehen: ein Soldat mit Schweinegesicht, der ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift Mossad, dem Namen des israelischen Auslandsgeheimdienstes, trägt. Die antisemitische Bildsprache in Form dieser Tiermetapher existiert bereits seit dem Hochmittelalter wurde später vielfach rezipiert – gerade hierzulande also keine Unbekannte.

Einen Monat, eine Entfernung des Banner-Eklats und eine offizielle Entschuldigung des Kuratorenteams später entschied sich Sabine Schormann am Samstag (15. Juli 2022), von ihrem Posten als Generaldirektorin der Veranstaltung zurückzutreten. Bis zum Ende habe sie laut TAZ gemauert, sei nicht zu einem Diskussionsabend der documenta erschienen, sei jeder Möglichkeit einer Erklärung ferngeblieben und habe sich krankgemeldet, als der Kulturausschuss des Bundestags debattierte. Bis zuletzt soll auch der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) an ihr festgehalten haben. Wie die documenta die Geschehnisse aufarbeiten will, ist noch unklar. Die documenta und Fridericianum gGmbH hebt Schormanns Vertrag jetzt zunächst auf und sucht anschließend nach einer Übergangsleitung.

Ist aber wirklich Schormann allein dafür verantwortlich? Als oberste Strippenzieherin, so Stefan Koldenhoff, Journalist und Kunstexperte, müsse sie schon ein Auge darauf haben, wie er dem ZDF gegenüber äußert: »Frau Schormann ist schon als Geschäftsführerin oder Generaldirektorin fürs Ganze verantwortlich. Das heißt, sie kann sich eigentlich nicht darauf zurückziehen, zu sagen, Ich muss gucken, dass das Geld da ist und dass die richtigen Schrauben, die richtigen Handwerker, die richtigen Plakate vorhanden sind, sondern sie trägt schon auch die Verantwortung mit fürs Künstlerische. Da sagt sie im Moment aber natürlich zu Recht: Ich bin aber keine Zensorin.« Hinzu kommt, dass die documenta nach der letzten Veranstaltung an der Organisationsstruktur gearbeitet habe. Demnach solle die Kommission den gesamten künstlerischen Prozess begleiten und beraten, so das ZDF.  

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