Protestbrief und Boykott in Berlin

Die neue Kunsthalle von Walter Smerling heizt die Gemüter auf

Der Kulturmanager Walter Smerling darf zwei Hallen im leerstehenden Tempelhofer Flughafen mietfrei nutzen und erhält zusätzlich öffentliche Gelder. Das Ausstellungsprojekt läuft unter dem Namen Kunsthalle Berlin – Flughafen Tempelhof – die Kunstszene reagiert empört.

von Mona Eilers, 28. February 2022

Seit mehr als zwei Jahrzehnten sehnt sich die Berliner Kunstszene nach einer Kunsthalle. Im Januar dann die Überraschung: Mit einer großen Retrospektive des Bildhauers Bernar Venet eröffnete die Kunsthalle im Tempelhofer Hangar zwei und drei – und doch lesen sich die News wie ein Skandal.

Hinter der Kunsthalle, deren Name eine staatliche und öffentlich-legitimierte Institution suggeriert, steckt ein Projekt von Walter Smerling, dem Chef der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Die Kunsthalle ist damit in privater Hand: »Darunter leidet nicht nur die Qualität, auch werden damit übliche Auflagen, etwa öffentliche Stellenausschreibungen, hinfällig«, kritisiert Zoë Claire Miller, eine Sprecherin des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin (BBK Berlin). Der Deal für die Kunsthalle sieht die Raumnutzung für Ausstellungen durch Sponsorengelder und Smerlings Eigenkapital vor, der im Gegenzug keine Miete zahlen muss. Laut der Tempelhof Projekte GmbH ist die Mietfreiheit für landeseigene Räume seit der Pandemie keine Ausnahme. Für hitzige Diskussion sorgt vielmehr der Umstand, dass die Stadt Berlin zusätzlich die Hälfte der anfallenden Betriebskosten übernimmt, die in dem maroden Gebäude auf zwei Jahre gerechnet einen Anteil von 1,2 Millionen Euro betragen können. Kritisierende werfen Smerling deshalb den Missbrauch von öffentlichen Geldern vor – insbesondere vor dem Hintergrund, dass staatliche Kunstinstitutionen gemeinhin unterfinanziert sind. 

Aus Smerlings Sicht handelt es sich um »eine Win-Win-Situation für die Kulturlandschaft und die Stadtkasse Berlins«, indem er und sein Sponsor Christoph Gröner Hauptfinanziers des Projekts sind. Kunstschaffende sehen sich darin jedoch bestätigt, dass die Stadt zu wenig auf ihre Interessen eingeht. Neue Orte für Kunst seien gerne willkommen, aber nicht von privaten Geldgebern, die nur den kommerziellen Erfolg im Blick haben. Jetzt zeige sich, dass weiterhin Drahtzieher aus Politik und Wirtschaft, mit denen Smerling netzwerkt, über die Berliner Kulturlandschaft entscheiden. Auf diese Weise nehme die Privatisierung von Räumen weiter zu. Smerling, dessen Museum Küppersmühle in Duisburg ausschließlich mit Werken aus einer Privatsammlung gefüllt ist, hat die komplette Gestaltungsfreiheit. Aus kuratorischer Sicht ist das ernüchternd. 2012 wählte er für eine staatlich finanzierte Ausstellung ausschließlich Werke aus der Sammlung eines befreundeten Unternehmers. Kritische Stimmen werfen ihm vor, die Kunst als Spielball seiner Vetternwirtschaft zu benutzen. Laut Miller ist Smerling zudem dafür bekannt, vorrangig Kunst alter weißer Männer zu fördern – dies stehe im Kontrast zur bunten Kunstszene Berlins.

Erst kürzlich hagelte es bereits Kritik für Smerling: Für die Ausstellung Diversity United, ebenfalls in Tempelhof realisiert, zahlte er den Kunstschaffenden trotz riesigem Finanzzuschuss durch das Auswärtige Amt kein Honorar. Zudem heuerte er Wladimir Putin als Schirmherren für die Ausstellung in Moskau, wo sie aktuell zu sehen ist, an. Einer der Sponsoren, Meridian Capital, taucht außerdem in den Paradise-Papers wegen Steuerhinterziehung auf. Mehrere beteiligte Künstlerinnen und Künstler stiegen daraufhin aus dem Ausstellungsprojekt aus.

In einem Protestbrief fordern die Künstlerin Hito Steyerl, der Künstler Clemens von Wedemeyer sowie der Kunstkritiker und Professor Jörg Heiser die Beendigung der Raumnutzung und der finanziellen Bezuschussung sowie eine finanz- und steuerrechtliche Überprüfung. Viele prominente Personen der Kunstszene unterschrieben den Brief. Daneben riefen die Kunstschaffenden Candice Breitz, Tobias Zielony und Zoë Claire Miller zu einem Boykott auf, welcher von der BBK Berlin unterstützt wird. Sie drängen auf eine Namensänderung der Kunsthalle und auf die Aufhebung des Mietverhältnisses nach den aktuell laufenden zwei Jahren.

Auf mehrmalige Gesprächsangebote von Smerling reagierten die Künstlerinnen und Künstler nicht. Zuletzt äußerte er sich zu der Debatte in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Den Namen Kunsthalle gewählt zu haben, räumt er als Fehler ein und »würde die Bezeichnung ändern, wenn das hilft«. Er gibt an, zusammen mit Kulturverantwortlichen aus Berlin ein vielfältiges  Ausstellungsprogramm planen und die gesamten Betriebskosten übernehmen zu wollen. Ob er damit die Gemüter besänftigen kann, bleibt fraglich, immerhin verkörpert er weiterhin den kapitalistischen Dorn im Auge der Kunstszene.Art.Salon

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