Seit mehr als zwei Jahrzehnten sehnt sich die Berliner Kunstszene nach einer Kunsthalle. Im Januar dann die Überraschung: Mit einer großen Retrospektive des Bildhauers Bernar Venet eröffnete die Kunsthalle im Tempelhofer Hangar zwei und drei – und doch lesen sich die News wie ein Skandal.
Hinter der Kunsthalle, deren Name eine staatliche und öffentlich-legitimierte Institution suggeriert, steckt ein Projekt von Walter Smerling, dem Chef der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Die Kunsthalle ist damit in privater Hand: »Darunter leidet nicht nur die Qualität, auch werden damit übliche Auflagen, etwa öffentliche Stellenausschreibungen, hinfällig«, kritisiert Zoë Claire Miller, eine Sprecherin des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin (BBK Berlin). Der Deal für die Kunsthalle sieht die Raumnutzung für Ausstellungen durch Sponsorengelder und Smerlings Eigenkapital vor, der im Gegenzug keine Miete zahlen muss. Laut der Tempelhof Projekte GmbH ist die Mietfreiheit für landeseigene Räume seit der Pandemie keine Ausnahme. Für hitzige Diskussion sorgt vielmehr der Umstand, dass die Stadt Berlin zusätzlich die Hälfte der anfallenden Betriebskosten übernimmt, die in dem maroden Gebäude auf zwei Jahre gerechnet einen Anteil von 1,2 Millionen Euro betragen können. Kritisierende werfen Smerling deshalb den Missbrauch von öffentlichen Geldern vor – insbesondere vor dem Hintergrund, dass staatliche Kunstinstitutionen gemeinhin unterfinanziert sind.
Aus Smerlings Sicht handelt es sich um »eine Win-Win-Situation für die Kulturlandschaft und die Stadtkasse Berlins«, indem er und sein Sponsor Christoph Gröner Hauptfinanziers des Projekts sind. Kunstschaffende sehen sich darin jedoch bestätigt, dass die Stadt zu wenig auf ihre Interessen eingeht. Neue Orte für Kunst seien gerne willkommen, aber nicht von privaten Geldgebern, die nur den kommerziellen Erfolg im Blick haben. Jetzt zeige sich, dass weiterhin Drahtzieher aus Politik und Wirtschaft, mit denen Smerling netzwerkt, über die Berliner Kulturlandschaft entscheiden. Auf diese Weise nehme die Privatisierung von Räumen weiter zu. Smerling, dessen Museum Küppersmühle in Duisburg ausschließlich mit Werken aus einer Privatsammlung gefüllt ist, hat die komplette Gestaltungsfreiheit. Aus kuratorischer Sicht ist das ernüchternd. 2012 wählte er für eine staatlich finanzierte Ausstellung ausschließlich Werke aus der Sammlung eines befreundeten Unternehmers. Kritische Stimmen werfen ihm vor, die Kunst als Spielball seiner Vetternwirtschaft zu benutzen. Laut Miller ist Smerling zudem dafür bekannt, vorrangig Kunst alter weißer Männer zu fördern – dies stehe im Kontrast zur bunten Kunstszene Berlins.