In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts betraten Künstlerinnen und Künstler radikale, neue Wege. Dies geschah nicht grundlos. Der Kalte Krieg und die Furcht vor dem Ende der Menschheit beherrschten die Lage vor allem in Europa und dem geteilten Deutschland. Kunstschaffende reflektieren kulturelle Entwicklungen und fragen nach neuen Identitäten des Menschen. Die Neue Nationalgalerie in Berlin widmet sich nun einer Ära der Menschheitsgeschichte, die von Teilung geprägt war: Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft stellt Werke von 1945 bis 2000 aus der eigenen Sammlung vor. Die Auswahl umfasst dabei Gemälde, Objekte, Fotografien, Videokunst und aufgezeichnete Performancekunst. Die besonders lange Laufzeit unterstreicht die Bedeutung, die diese Schau für die Gegenwart hat: Sie läuft fast zwei Jahre lang vom 18. November 2023 bis zum 28. September 2025.
Das Hauptwerk der Ausstellung ist die Performance Zerreißprobe (1970), die ihr auch den Titel gab. Der Wiener Aktionist Günter Brus setzte sich dem erbarmungslosen Zug von Stahlseilen aus und lotste die körperlichen Grenzen aus. Es war eine radikale Performance und auch seine letzte: Er scheute die Berühmtheit, die er dadurch erlangt hatte. In der Ausstellung außerdem vertreten sind unter anderem Marina Abramović, Joseph Beuys, Francis Bacon, Lee Bontecou, Rebecca Horn, VALIE EXPORT, Wolfgang Mattheuer, Louise Nevelson, Bridget Riley, Pipilotti Rist oder Andy Warhol. Auch Neuerwerbungen etwa von Kiki Kogelnik oder Ewa Partum, die zuvor nicht in der Sammlung zu finden waren, gehören zu den Exponaten.