Gabriele Münter (1877-1962) war Mitgründerin des Blauen Reiters und gilt heute als herausragende Künstlerin des Expressionismus in Deutschland. Angefeuert vom Drang, einen eigenständigen Stil zu entwickeln, zeigte sich Münter experimentierfreudig. Sie nahm stets Anregungen aus neu entstehenden Kunstströmungen wie der Neuen Sachlichkeit auf und schuf so ein facettenreiches Œuvre. Das Zentrum Paul Klee in Bern stellt vom 29. Januar bis 08. Mai 2022 in Gabriele Münter. Pionierin der Moderne neben Münters expressionistischen Hauptwerken auch unbekannte Arbeiten und Fotografien sowie Druckgrafiken aus: Eine weitere wichtige Werkschau, die sich der bis vor wenigen Jahren verbreiteten Rezeption Münters als reine Expressionistin und Schülerin des Genies Wassily Kandinsky entgegenstellt.
Wie nicht wenige Künstlerinnen ihrer Zeit wurde auch Gabriele Münter jahrzehntelang als zweitrangige Künstlerin und Lebensgefährtin eines männlichen Genies, in ihrem Fall Kandinsky, rezipiert. Seit wenigen Jahren ändert sich der Blick auf Münter, wozu das Zentrum Paul Klee einen weiteren Beitrag leistet: Münter war eine anerkannte Künstlerin, die engagiert wie wenige das Ziel verfolgten, eine eigene, unabhängige Stilsprache zu entwickeln. Das Experimentieren mit den vielen neu entstehenden Kunstströmungen stand ihr jedoch im Weg: Zeitgenossen sahen darin eher eine Unsicherheit, einen bestimmten künstlerischen Pfad zu verfolgen. Die kurzzeitige Anerkennung als Avantgardistin wie in Skandinavien geriet schnell in Vergessenheit und ihre richtungsweisende Arbeit in den Ausstellungen des Blauen Reiters wurde weniger beachtet als die Werke Kandinskys und Franz Marcs. Während des Nationalsozialismus wurden ihre Gemälde abgelehnt. Erst mit der Teilnahme an der documenta 1 (1955) konnte Münter, die sich mit über 70 Jahren erstmals abstrakter Kunst zuwandte, wieder Erfolge erzielen.