Wolfgang Tillmans born 1968 in Remscheid, Germany

Zunächst startete der Fotograf Wolfang Tillmans (*1968) mit seinen ikonischen Bildern aus subkulturellen Szenen, die das Sa­voir-vi­v­re seiner Generation beschrieben – der jugendliche Freiheitsdrang, die Lebenslust, einzelne Augenblicke verschmolzen mit politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen. Politischer Rechtsruck, der öffentliche Blick auf Homosexualität und Geschlechternormen rückte er in den Fokus. Zu Beginn der 1990er erreichte er dies, indem er seinen Freundes- und Bekanntenkreis porträtierte und Technoveranstaltungen oder Demonstrationen wie die Gay Pride in London (1992) oder die Love Parade in Berlin (1992) ablichtete. Einige der Bilder erschienen in namhaften Magazinen wie der Spex oder dem SZ-Magazin. Tillmans wurde bekannt für seine unerschrockenen Motive, die auch vor Nacktheit und Sexualtität keinen Halt machten. Typisch sind vor allem die eindrucksvollen Bildausschnitte, die mit einer Stille wirken, als seien sie fast inszeniert. Später konzentrierte sich der Fotograf auch zunehmend auf die wechselseitige Beeinflussung von Oberflächenstruktur und Bildtiefe Wirkung – und kreierte mehr abstrakte Werke. 

Wolfgang Tillmans soll nur handelsübliche Spiegelreflexkameras verwenden, außerdem soll er immer ein kleines Exemplar bei sich tragen, um zufällige Augenblicke einfangen zu können, die er als »Geschenke des Zufalls« bezeichnet. Heute dürfte das vielleicht sogar eine Handykamera sein – Tillmans entpuppt sich nämlich als Fan der technischen Entwicklung und scheint nicht wie andere Fotografen auf eine klassische Kamera zu pochen. 

In einem Interview mit Lighting The Archive von 2021, in dem er nach der Entwicklung der Kameras gefragt wird, antwortet er: »[...] Mich fasziniert das. 2004 habe ich mir eine Leica-Digitalkamera mit 6 Megapixeln gekauft. Nach zwei Wochen habe ich sie wieder weggelegt, weil die Bilder flach und synthetisch aussahen. Fünf Jahre später, als die Canon 5D auf den Markt kam, die, glaube ich, eine kleine kulturelle Zeitenwende darstellt, habe ich dann gemerkt: Das ist eine Sprache, die will ich lernen zu sprechen. Die Kamera ist portabel, nicht mehr so schwer wie ein Ziegelstein und hat mehr Pixel als der Kleinbildfilm Körner hat. Übrigens hat sich dann in den darauffolgenden Jahren in dieser Kamerareihe und bei anderen Herstellern zeitgleich eine rapide Entwicklung der Bildqualität bei dunkler Beleuchtungslage ergeben.« 

Kameraentwickler der Firma Sony in Japan hätten ihm erklärt, dass die Handykameraentwicklung sei derart perfektioniert worden sei, dass man heute eine Spiegelreflexkamera im Smartphone intergiert habe. Die Rechenleistung sei immer stärker geworden, die Rauschunterdrückung immer intelligenter – die Lichtempfindlichkeit sei von der eigentlichen Spiegelreflexkamera hin zum Handy hingegen gleich geblieben.

Große Auktionshäuser wie Christie’s, Phillips, Van Ham, Bonhams, Lempertz oder Sotheby’s haben bereits Arbeiten von Tillmans versteigert. Interessenten sollten Newsletter abonnieren und gezielt auf zeitgenössische Fotografie-Auktionen achtgeben.

Tillmans fokussiert sich abseits von seinen abstrakten und politischen Arbeiten auf drei traditionelle Darstellungsformen: Landschaften, Stillleben und Porträts dominieren sein Œu­v­re. So ist speziell die Landschaft als eine Sonderform des Stilllebens zu betrachten. Laut eigenen Aussagen mache er diese Bilder, um die Welt zu erkennen. Das Licht nimmt eine besondere Rolle ein – künstlich wie natürlich. Sie kommen traditionell, oder gar romantisch daher. 

Tillmans’ Stillleben zeugen von seinem unheimlich talentvollen Blick für den richtigen Moment. Ort, Objekt und Zeit spielen sich dabei aufeinander ein – der Begriff Stillleben irritiert dabei fast, lässt das Abgebildete doch im Geiste eine bewegte Szene vollführen, die dem Motiv vorausgegangen ist. Die Stillleben verbreiten gleichzeitig wortwörtlich eine Stille, sprechen gleich mehrere Sinne an. Die Arrangement erwecken die natürliche Neugier, das Rätsel um die Situation zu lösen. Man fragt sich unwillkürlich: »Was ist hier geschehen?« Tillmans beherrscht die Kunst, ein banales Stillleben in einen aufregenden Schauplatz für das Alltägliche zu verwandeln.