Ulrike Gerst

Zwischenräume

In den Malereien von Ulrike Gerst begegnen uns menschenleere Orte, die vertraut und doch geheimnisvoll erscheinen. Die Ausschnitte alltäglicher Beobachtungen wirken in ihrer reduzierten Darstellung wie fragmentarische Erinnerungen. Jedes Bild scheint ein Geheimnis in sich zu tragen, eine Geschichte, verborgen in den stillen Details und der Erfahrungswelt des Betrachters.

von Felix Brosius, 05. November 2024
Ulrike Gerst - Serie Spaces
Ulrike Gerst: ohne Title, aus der Serie Spaces (2023), Öl auf Leinwand

Hausfassaden, Innenräume, Parklandschaften – die Motive der in Freiburg und Berlin lebenden Malerin Ulrike Gerst sind alle von Menschenhand erschaffen und werden von ihr doch stets menschenleer gezeigt. Und noch etwas fehlt in den Darstellungen: Die Bilder zeigen immer nur einen kleinen Ausschnitt, eine bestimmte Perspektive, einen ganz speziellen Blick, während der größere Kontext aus dem Bildraum ausgesperrt und damit der Phantasie des Betrachters übereignet wird. Jeder Versuch, den Bezugsrahmen aus dem Bild herauszulesen, endet unweigerlich in Widersprüchen. So wirken die Szenerien in leicht verblassten Farben wie ferne Erinnerungen an vergangene Zeiten, zugleich scheinen die abwesenden Personen den Ort aber gerade erst verlassen zu haben, die Spuren ihres Handelns sind noch sichtbar, die Tische frisch mit Blumen dekoriert und der Vorhang weht in einer leichten Brise am weit geöffneten Fenster.

Ulrike Gerst - Serie Messehalle
Ulrike Gerst: ohne Title, aus der Serie Messehallen (2010), Öl auf Leinwand

Die Orte in den Bildern erscheinen seltsam vertraut und doch wieder fremd. Es sind Ausschnitte aus unserer alltäglichen Lebenswirklichkeit, wie sie jeder kennt, so geschickt gewählt, dass sich leicht ein Bezug herstellen lässt, man förmlich das Klappern der verdrehten Jalousien hört oder den Geruch des Linoleumbodens wahrzunehmen glaubt. Und dennoch bleibt eine Distanz, ein unsichtbarer Schleier zwischen dem Betrachter und dem stillen Geschehen, das sich nicht so recht greifen lässt. Gerst gelingt es auf bemerkenswerte Weise, lebhafte Spiegelungen, Lichtreflexionen und Bewegungen mit einer stark reduzierten Darstellung zu vereinen. Dadurch erscheinen ihre Malereien fast graphisch, zeigen vielleicht eher die Idee eines Ortes als den Ort selbst, ein Raum als Pars pro Toto, ein Spiel mit unseren Erwartungen, das uns dazu einlädt, die Szenerien im Rückgriff auf unsere eigene Lebenswelt zu füllen.

Ulrike Gerst - Serie Ballhaus
Ulrike Gerst: ohne Title, aus der Serie Ballhaus (2010), Öl auf Leinwand
»Ulrike Gersts Räume strahlen eine geradezu meditative Ruhe aus, sind voll atmosphärischer Dichte.« Birgit Wiesenhütter
Ulrike Gerst - Serie born
Ulrike Gerst: ohne Title, aus der Serie Born (2019), Öl auf Leinwand
Ulrike Gerst - Serie Windows
Ulrike Gerst: ohne Title, aus der Serie Windows (2023), Öl auf Leinwand

Mehr über die Künstlerin: Artist Page von Ulrike GerstArt.Salon

Dive deeper into the art world

Kläre Anton

Die facettenreichen Bilder von Kläre Anton öffnen eine Welt voller Assoziationen und vielschichtiger Erzählungen. In einem breiten Spektrum von präziser Naturdarstellung bis zu abstrakter Dekonstruktion laden sie dazu ein, der eigenen Geschichte zu folgen und verborgene Bedeutungen zu ergründen.

von Felix Brosius, 29. October 2024
London, Tate Britain

Es war eines der bewegendsten Jahrzehnte in der Geschichte des Vereinigten Königreichs: die 1980er, geprägt von Streiks, Protesten, AIDS. Fotografinnen und Fotografen dokumentierten diese Zeit und wurden durch ihre Bilder zum Teil selbst zu politischen Aktivisten. Die Ausstellung The 80s: Photographing Britain eröffnet am 21. November in der Tate Britain in London.

21. November 2024