Hype, Blase, ökonomische Folgen

Wie NFTs den Kunstmarkt verändern

Non-Fungible Tokens (NFTs) sind erst seit wenigen Jahren Teil des Kunstmarkts, aber bereits für viele Schlagzeilen verantwortlich. NFTs sind das Kunstmarktthema der letzten drei Jahre. Ein Überblick über eine aufsehenerregende Kunstform.

von Marius Damrow, 31. October 2022

Austauschbar ist eine Beschreibung, die kein Künstler über seine Arbeit hören will. Das traf bisher meist auf digitale Kunst zu. Der Kunstmarkt schien lange einer der wenigen Bereiche zu sein, in denen das Digitale keine Führungsrolle einnehmen konnte. Non-Fungible Tokens (NFTs) ändern das: NFTs sind kryptographische Vermögenswerte, basierend auf Blockchains. So entstehen einzigartige digitale Arbeiten, deren Urheber und Provenienz einfach zu identifizieren sind. Digitalkünstlerinnen und -künstler kreieren nun seriöse Kunstwerke, Sammlerinnen und Sammler verlassen sich beim Erwerb auf Echtheit. NFTs schaffen die sichere Grundlage für den Kunstmarkt.

Der Aufstieg der NFTs

Das erste NFT schöpfen Kevin McCoy und Anil Dash im Jahr 2014. Es ist ein Video von McCoys Ehefrau, Dash kauft es ihm für vier US-Dollar ab. Den nächsten entscheidenden Schritt gehen Larva Labs 2017, als sie die CrypoPunks veröffentlichen – 10.000 kleine Porträtbilder digitaler Figuren, dargestellt mit großen Pixeln. Ursprünglich waren diese NFTs kostenlos, lediglich für die Gasgebühren müssen die Käuferinnen und Käufer aufkommen. Mit dem Bekanntheitsgrad wuchsen auch die Preise: Ein Jahr später kosteten die »Punks« bereits bis zu 5.000 US-Dollar. Das bis heute teuerste Werk dieser Reihe verkaufte sich im März 2021 für fast 7,6 Millionen US-Dollar. 

Die Corona-Pandemie ließ das Interesse an  digitaler Kunst steigen. Im Jahr 2020 explodierte der Umsatz durch NFT-Verkäufe, 2021 lag er bei fast 10 Millionen US-Dollar pro Tag. Das Datum für die Geschichtsbücher ist der 11. März 2021: Bei einer Auktion versteigert Christie’s Beeples Everydays: the First 5,000 Days für 69,3 Millionen US-Dollar. Das Gebot startete bei 100 US-Dollar, insgesamt trieben 33 Bieter den Preis in die Höhe. Beeple ist damit − gemessen an Auktionspreisen − nach Jeff Koons und David Hockney der drittteuerste lebende Künstler.

NFTs etablierten sich schnell als Medium, sie werden neben Gemälden und Skulpturen ausgestellt und verkauft. Selbst erfahrene Marktkenner überrascht dieser kometenhafte Aufstieg. Umfragen zeigen, dass die Käuferinnen und Käufer NFTs vor allem als Wertanlage betrachten. Mehr noch als bei anderen Kunstwerken ist der Anteil von »inhaltlich kunstfernen« Käufern extrem hoch. Wie ernst zu nehmen NFTs wirklich sind, bewies die ukrainische Regierung: Sie finanzierte die Verteidigung ihres Landes zum Teil durch NFT-Verkäufe.

Beeple, BITPOD.95, 2016
behance.net, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86057145
Beeple, BITPOD.95 from the Everydays-Series, 26.4.2016

Der Fall der NFTs?

Von Beginn an fürchteten Marktspezialisten eine Spekulationsblase. Den Höhepunkt erreichte der NFT-Markt bisher im August 2021. Ein Jahr später kostete ein NFT im Schnitt nur noch ein Zehntel. Schlagzeilen machte ein von Snoop Dogg kuratiertes NFT: Jemand kaufte es für 32.000 US-Dollar und versteigerte es im Mai 2022 wieder – mit einem Schätzwert von 25 Millionen US-Dollar. Das höchste Gebot ging jedoch nicht über 210 US-Dollar hinaus.

Experten sind sich uneins: Für manche ist das NFT-Geschäft bereits zusammengebrochen, andere sehen es noch kommen. Der Wert der NFTs ist eng verbunden mit Kryptowährungskursen. Ein erneuter Aufstieg ist also nicht auszuschließen. Fest steht, dass der Hype zwar vorbei ist – die digitalen Werke sich aber als elementarer Bestandteil des Kunstbetriebs zeigen. Ein Beispiel: Damien Hirst fertigte vor einem Jahr 10.000 Kunstwerke – einmal als kleines Gemälde, einmal als NFT. Die Käufer hatten ein Jahr Zeit, um zu überlegen, welches sie behalten wollen, ehe das jeweils andere zerstört wird. Im Oktober 2022 verbrannte Hirst 4.851 Gemälde: Etwa die Hälfte entschied sich also für das NFT, die andere für das physische Werk.

Die Wandelbarkeit der digitalen Kunst scheint ein Argument zu sein, dass es sich hierbei um das Medium der Zukunft handelt. So zumindest sieht Beeple es, wie seine 3D-NFT-Skulptur HUMAN ONE beweist. Und weitere Veränderungen werden den Markt beeinflussen: Schätzungen zufolge verbringt ein Viertel der Menschen 2026 mindestens eine Stunde pro Tag in einem Metaversum. NFTs und Kryptowährungen bilden die Grundlage für die virtuelle Wirtschaft innerhalb des Metaversums. Sie zum alltäglichen Bestandteil vieler Menschen, wodurch Nachfrage und Wert entsprechend wieder steigen dürften.

Beeple

HUMAN ONE

Found at Christies, New York
21st Century Evening Sale, Lot 7 A
9. Nov - 9. Nov 2021
Price realised: 28.985.000 USD
Details

Der ökologische Fußabdruck

Nicht oft genug wird bei Themen wie Digitalisierung oder Streaming über den gewaltigen Energieverbrauch gesprochen. Der Digitalkünstler Memo Akten bringt bei den NFTs Licht ins Dunkel: Er analysierte 18.000 NFTs und präsentierte die Ergebnisse auf seiner Seite cryptoart.wtf. Akten fand heraus, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß für die Erstellung eines NFT etwas über dem monatlichen Ausstoß eines EU-Bürgers liegt.

Diese Kunstform zu verbieten, ist sicher nicht sinnvoll. Dafür ist ihr Anteil am Klimawandel in Anbetracht der Weltwirtschaft zu gering. Doch der »Skandal« der klimaschädlichen NFTs zeigt Wirkung. Der Status Quo der weltweiten Klimakatastrophe kann nicht bleiben. Entweder kehren die Menschen geschlossen und bewusst zu vorindustriellen Zeiten zurück oder sie entwickeln sich weiter. Bezüglich der digitalen Kunstwerke bringt sich Beeple wieder ins Spiel.

Medienwirksam hat Beeple geschworen, dass seine künftigen NFTs klimaneutral ausfallen werden. Die Emissionen will er durch Investitionen in erneuerbare Energien und Naturschutzprojekte ausgleichen. Andere Kunstschaffende sammeln mithilfe einer Initiative Geld als Belohnung für denjenigen, der Kryptokunst nachhaltiger gestalten kann.Art.Salon

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