Susanne Stähli: »verdünnen, probieren, schichten…«
Die Arbeit von Susanne Stähli beginnt meistens mit der experimentellen Suche nach geeigneten Farbtönen. Dabei geht sie von einer ungefähren Vorstellung der Farbe aus und nähert sich dieser durch eine additive Herangehensweise an, indem sie hauchdünne Farbschichten ergänzt. Wie uns die Künstlerin im Interview erzählt, spielt hierbei das Licht eine zentrale Rolle, denn es ist nicht nur Teil der Umgebung, sondern wird zum aktiven Bestandteil ihrer Kunstwerke.
Das Oeuvre von Susanne Stähli ist überaus vielseitig: Ihr Metier reicht von in lasierenden Schichten aufgebauten Gemälden über Raum-Licht-Installationen mit farbigem Glas bis hin zur pastös aufgetragener Farbfeldmalerei. In den letzten Jahren widmet sich die Künstlerin vermehrt der Tuschemalerei, wobei sie mehrere Farbschichten wie feine Membranen übereinanderlegt. Das Auge addiert diese häufig unterschiedlich colorierten Schichten zu einem Ton. Wie Seidenpapiere anmutend, scheinen die hochpigmentierten einzelnen Lasuren durch ihre haptische Wirkung beinahe greifbar. Der Untergrund dieser Farbschichten ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeiten: mal lässt sie die Farbe im dicken Aquarellpapier einsickern, ein anders mal trocknet sie an der versiegelten Oberfläche von Steinpapier.
Die Tuschemalerei ist dabei eine durchaus lebendige Technik, denn sie ist nur schwer zu kontrollieren und lässt die Spuren der Bearbeitung sichtbar werden. Bei der Serie One Stroke (ab 2019) wird dieses Spiel mit dem gefärbten Wasser besonders deutlich: die Pigmente sammeln sich am Rand der Farbflächen und erzeugen dadurch einen Rahmen, während gleichzeitig die Spuren des fließenden Wassers sichtbar bleiben. So entsteht ein Kontrast zwischen Fließen und Begrenzung, der sich intuitiv spannungsreich auf den Betrachter überträgt.
Die 1959 in München geborene Künstlerin studierte von 1982 bis 1986 Malerei an der Fachhochschule für Kunst und Kunsttherapie in Ottersberg, Niedersachsen. Susanne Stähli war 2006 artist in residence an der Universität Witten/Herdecke, wo sie seit 2007 auch lebt und selbst lehrt, 2011 gewann sie den Preis »Kunst am Bau« in Bochum und 2021 in Willich. Im Interview erklärt sie, wie diese verschiedenen Tätigkeiten miteinander korrespondieren.
Wie würdest Du Deine Kunst beschreiben?
In meiner Arbeit geht es grundsätzlich um die Auseinandersetzung mit der Farbe, als »relativstem Medium der Malerei«, wie Josef Albers sagt. Das Interesse daran führte in den letzten Jahren zu ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen, von der großformatigen Leinwand über kleinformatige Serien, mit unterschiedlichen Materialien, bis hin zu Installationen, bei denen auch Licht und Raum einbezogen werden. Das Thema Reduktion spielt immer eine Rolle.
Wie fängst Du mit einer Arbeit an? Wie beginnt Dein individueller Prozess?
Mit einer ungefähren Farbvorstellung und der Suche nach den dazu nötigen Farbtönen. Danach geht es um verdünnen, probieren, schichten…
Du bist als aktive Künstlerin tätig, gleichzeitig hast einen Lehrauftrag an der Universität Witten/Herdecke. Gibt es dabei Überschneidungen?
Ich gebe im Rahmen des Studiums fundamentale künstlerische Seminare für Studierende aller Fakultäten (z.B. Medizin, Zahnmedizin, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften, usw.). Dabei geht es vor allem um verschiedene Möglichkeiten und Herangehensweisen im künstlerischen Prozess, unabhängig von figürlichen oder »abstrakten« Themen. Es geht um eine differenzierte Art der Wahrnehmung, weniger um Inhalte, die direkt mit meiner persönlichen Arbeit zu tun haben. Dennoch fließt meine innere Haltung künstlerischer Arbeit gegenüber sicher mit ein.
Seit 2018 arbeitest Du ausschließlich mit Papier. Wie kam es dazu?
Mein Interesse am Zusammenhang von Farbe als Material und Farbe in ihrer sinnlichen Wirkung (engl.: paint and colour) führte vom Schichten dünner Acryllasuren auf Leinwand über Folieninstallationen auf Glasflächen, also der Arbeit mit farbigem, immateriellem Licht, hin zum pastosen Auftrag dichter Ölfarbe.
Mit den Arbeiten auf Papier kam vor allem das Element des Flüssigen, Wässrigen hinzu. Bei den Papierarbeiten schätze ich die Leichtigkeit, auch die Entdeckung, wie sehr der Träger, die verschiedenen Papiere, das Erscheinen einer Farbe beeinflussen.
Warum arbeitest Du mit Tusche? Was gefällt Dir an dieser Technik?
Ich untersuche damit die Eigenschaften wässriger Farbe bzw. mit Tusche gefärbter Flüssigkeit. Tusche ist hoch lichtdurchlässig, trocknet wasserfest auf und verliert dabei gleichzeitig nicht an Farbbrillanz.
Dabei ist für mich der gesteuerte Zufall interessant. Eine meiner Ausstellungen hatte den Titel »Präzises Fließen«. Das bringt es auf den Punkt.
Deine Arbeiten bestehen teilweise aus wenigen, hauchdünnen Farbschichten. Was reizt Dich so an der bildlichen Reduktion?
Reduktion war und ist immer wieder mein Thema. Die Konzentration im Moment und das Wissen, dass gerade bei den Tuschearbeiten wenig bis nichts korrigierbar ist, einmal Gesetztes bleibt, finde ich spannend und erlebe das, wenn es gelingt, als sehr befriedigend.
Widmest Du Dich für einen Zeitraum gezielten Farbgruppen und was beeinflusst dabei Deine Farbwahl?
Häufig führt mich eine Arbeit in die nächste. Das kann ein tiefergehendes Interesse an verwandten Farben sein oder das genaue Gegenteil, der Kontrast dazu. Auch die vermeintliche »Nichtfarbigkeit« bestimmter Farben wie Grau, Schwarz und Weiß interessiert mich. Aus diesem Interesse heraus entwickeln sich dann auch Serien bzw. Werkreihen, die sich mit bestimmten Farbthemen beschäftigen.
Wie sollte Deiner Meinung nach Farbe wahrgenommen werden?
Bei natürlich wechselndem Licht. Unvoreingenommenes Schauen. Mit Zeit.
Welche Farbe hat Deine Welt?
Jede.
Name: Susanne Stähli
Geburtsjahr: 1959
Geburtsort: München
Wohnort: Witten
Instagram: https://www.instagram.com/s.staehli_kunst/
Website: https://susannestaehli.de/
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