Asien im Trend

Diese koreanischen Künstler solltet ihr kennen

Spätestens seit der letzten Frieze Art Fair 2022 in Seoul ist wohl jedem klar, dass Südkorea weitaus mehr kann als K-Pop. Die internationale Messe fand Anfang September zeitgleich mit der KIAF (Korea International Art Fair) erstmalig in Asien statt – dass die Wahl des Ortes auf die südkoreanische Hauptstadt viel, zeugt von der längst überfälligen Anerkennung, die der beeindruckenden Kunstgeschichte des Landes gezollt wird.
Hier geben wir einen Überblick über die renommiertesten Künstlerinnen und Künstler Südkoreas und stellen einige der interessantesten aktuellen Namen vor, von denen Ihr in Zukunft sicher noch hören werdet.

von Marén Cohen Monroy, 10. December 2022
Portrait of Nam Jun Paik
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Portrait von Nam June Paik

Die südkoreanische Gegenwartskunst ist ein Konglomerat von westlichen und östlichen Einflüssen, wobei der Geschichte des Landes eine aktive Rolle eingeräumt wird. So wirken beispielsweise die Impulse der konzeptuell arbeitenden Künstler der 1980er und 90er Jahre, wie Nam June Paik, Lee Bul und Kang Ikjoong konstant nach. Ihr Ziel war es, dass die Betrachter ihre eigene Realität hinterfragen und überdenken sollten, etwa bei Themen wie Geschlechterrollen, Identität, Sprache oder Kultur.
Zu dieser Strömung reihen sich die Arbeiten aus der monochromen Malerei der 1960er – 70er Jahre, bei der einige Künstler bis heute noch ein aktiver Bestandteil in der Kunstszene sind. Die namhaftesten unter ihnen, wie Park Seo Bo, Kim Whanki oder Lee Ufan erfreuen sich einer internationalen Wertschätzung.
Heutzutage ist es sehr schwer von der »einen« koreanischen Kunst zu sprechen, denn das Land und seine Künstler haben sich längst in alle Himmelsrichtungen geöffnet und spannende, individuelle Positionen hervorgebracht, welche wir hier vorstellen möchten.

Park-Seo-Bo-Studio
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Park Seo Bo - Atelieransicht, 1977

1950 – 70: Informelle Kunst und Monochrome Malerei

Nach 1945 mussten die japanischen Besatzer als einer der Verlierer des Zweiten Weltkrieges Korea verlassen. Doch schon 1950 folgte der Koreakrieg, welcher die Zweiteilung des Landes und tiefgreifende Veränderungen in der Kunst- und Kultur mit sich brachte: Während Nordkorea den sozialistischen Realismus durchsetzte, übernahm Südkorea viele Merkmale aus der westlichen Kunst – vor allem aus den USA und Europa, was sich auch an der regen Teilnahme bei den internationalen Kunstausstellungen und Biennalen ablesen lässt. Das hatte zur Folge, dass sich ab der Mitte der 1950er Jahre zahlreiche südkoreanische Künstler dem »Informel« oder der »lyrischen Abstraktion« zuwandten. Diese sehr freie, spontane Arbeitsweise, welche unter anderem Anleihen am abstrakten Expressionismus hat, ist als individueller Rückzug der Künstler aufgrund der Spannungen und Konflikte des Landes zu deuten. Oftmals wurden den Werken, wie etwa bei Kim Whanki, poetische Titel gegeben. Yoo Youngkuk verwendetet stark abstrahierte Darstellungen der koreanischen Landschaft, wohingegen Künstler, wie Kim Tschang Yeul sich auf die Spuren menschlichen Handelns konzentrierten, indem sie industrielle Materialien, wie Eisen oder Schweißspuren verwendeten oder den Fokus auf den Pinselduktus legten. Wie auch in Europa und den USA, wendete man sich jetzt Alltagsgegenständen zu, um ihren Wert als Kunstobjekte zu untersuchen. Installationen, Happenings, Film und Fotografie wurden in Korea nun erstmals als Kunstform verwendet. Außerdem wurde die Frage nach der eigenen kulturellen Identität lauter. Man fand eine mögliche Antwort in den stark reduzierten, monochromen Arbeiten der Dansaekhwa- Künstler. Dabei wird der Wert auf die haptischen Eigenschaften der stark reduzierten Werke gelegt, welche oftmals durch eine sich wiederholende Bewegung bearbeitet werden. Die Leinwand wird dabei nicht als Bildträger verstanden, sondern als Medium, welches die Spuren der Existenz des Künstlers trägt. Künstler des Dansaekhwa-Stils waren beispielsweise Ha Chong Hyun, Chung Sang Hwa und Lee Kun Yong – heute ist Lee Ufan der bekannteste unter ihnen.
Der Maler Park Seo Bo ist einer der noch aktiv tätigen Künstler dieser Arbeitsweise. In seinen bekannten Écriture-Arbeiten, welche er seit den 1960er Jahren entwickelt und die ihre Ursprünge im Taoismus und der Kalligrafie haben, »schreibt« sich der Künstler wortwörtlich in seine Werke ein. Dabei verwendet er zumeist Bleistifte, welche er mit rhythmisch wiederholenden Bewegungen über das Papier (seit 1983 Hanji- oder Maulbeerbaumpapier) streicht und somit streng reduzierte Bildräume schafft, welche zur Kontemplation einladen.

Nam June Paik, The More the Better
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Nam June Paik -The more the better, Sculptural installation 1988, 18,5 x 11 x 11 m

1980er: Hyperrealismus

Ab 1980 wendeten sich die Künstlerinnen und Künstler zunehmend der figurativen Malerei, Video- und Filmkunst zu. Namenhaft beteiligt an dieser Entwicklung war die Minjung Misul (visuelle Kunst, Volkskunst)- Bewegung, welche sich sozialen Themen widmete, wie beispielsweise der gewaltsamen Unterbindung der Studentenproteste oder den Schattenseiten der rasanten Industrialisierung des Landes. Ziel dieser Bewegung war es, dass die Kunst wieder in Verbindung mit dem aktuellen Zeitgeschehen trat. Ein Mittel, dem sich viele Künstler bedienten, war der Hyperrealismus ab dem Ende der 1970er/ Anfang 1980er Jahre. Typisch für diese Stilrichtung war die täuschend echte Nachahmung von Landschaften oder Menschenportraits, wie etwa von Kim Chang Young, Ju Tae Seok, Ji Seok Cheol, Kim Kang Yong oder Ko Young Hoon.

Kim-Sooja_Cities-on-the-Move_1997
Barthels, S. Kathleen (ed.): Kimsooja. Unfolding. Ostfildern, 2013 p. 46/47
Kim Sooja - Cities on the Move. 2.727 Kilometers Bottari Truck, Installation 1997, 2-Tonnen-LKW aus Korea, Bottaris, Bungee-Seil, 20 x 6,5m

1990er: Östliche Perspektiven im globalen Kontext

Die Künstlerin Kimsooja ist für ihre aufwendigen Installationen bekannt. Eine ihrer beeindruckendsten Arbeiten war die Performance »Cities on the Move – 2.727 Kilometers Bottari Truck« (1997), bei der ein mit Stoffbündeln beladenen Truck in vielen Museen und Ausstellungsflächen Europas und Asiens geparkt wurde. Die Bündel (koreanisch »bottari«) beinhalteten abgetragene Kleidung und Bettzeug, welche die Künstlerin auf einer langen Reise durch Südkorea von der Bevölkerung gesammelt hat. Sie thematisierte damit die traditionell koreanische Weise, in der alle Art von Gegenständen zum Transport in Tücher eingeschlagen werden. Selbst Babys, Kranke und Tote wurden typischerweise auf diese Art transportiert. Dabei zeigte die Installation von Sooja speziell solche Bündel, die von Menschen, die die aus politischen Gründen geflüchtet sind, in ihren Häusern zurückgelassen wurden. Der Geruch der Stoffe zeugt von der Präsenz und zugleich von der Abwesenheit der Personen, die in den Bündeln vormals ihre Habseligkeiten getragen und dann zurückgelassen haben. Dabei symbolisiert das Bündel zugleich die gesamte (persönliche) Welt, denn in ihm lässt sich das gesamte Leben eines Menschen verpacken.
Mit dieser Arbeit konfrontierte Kimsooja die westliche Kunstwelt mit ihrer eigenen, durchaus global geprägten Sichtweise, bei der sie dennoch eine generelle koreanische Problematik aufgreift. Durch die Betonung der sensorischen Eigenschaften der Installation macht die Künstlerin das Thema für Menschen aus anderen Kulturkreisen in besonderer Weise erfahrbar.
Jüngere Arbeiten, die ebenfalls eine betont fernöstliche Sichtweise mit einer globalen Perspektive zusammenführen, stammen von den Künstlerinnen Young Ju Joung und Kim Min Jung. So »errichtet« Young Ju Joung mit pastösem Farbauftrag auf Leinwand traditionelle ostasiatisch Städte, die sie aus ihrer Kindheit kennt. Durch eine erhöhte Perspektive sind stets nur die Hausdächer erkennbar – Menschen bildet sie nie ab. Dennoch zeugen die hell erleuchteten Fenster der Häuser von ihren Bewohnern, und eine ruhige, gemütlich-heimische Stimmung macht sich beim Anschauen bemerkbar. Interessant ist dabei, dass sich dieses Gefühl unabhängig von der Herkunft des Betrachters einstellt, die Künstlerin scheint somit ein einfaches Narrativ gefunden zu haben, das die Grenzen der kulturellen Prägungen auflöst.

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Yunchul Kim - Chroma V, Installation 2022, Acryl, Aluminum, Polymer, LED, Motor, Microcontroller, 235 x 800 x 225cm

2000 bis heute: Neue Medien – neue Sichtweisen

Weitaus turbulenter geht es bei einigen Künstlerinnen und Künstlern zu, die sich seit den 2000er Jahren den Themen und Motiven der sich rasant ausbreitenden Pop-Kultur widmen: Lee Jee Young, Choi Xooang oder Choi Jeong Moon konfrontieren die Betrachter mit wahrlich hypnotisierend wirkenden Werken.
Die Flut der Eindrücke aus Fernsehen-, Mode- und Musikindustrie findet zunehmend in inter- oder transdisziplinärer Kunst ein Ventil. Bei dieser Kunstform, in der bildende und darstellende Künstler häufig zusammenarbeiten, kommt es zu vielseitigen Verbindungen zwischen Installation, Klang und Bewegung. Besonders prägnant sind die Arbeiten von Yunchul Kim, die unter anderem auf der 2022er Biennale in Venedig zu sehen waren. Seine Maschinen mit dem Titel »Gyre« (»Wirbel«, 2022) imitieren auf erstaunlich realistische Weise die organisch gleitende Bewegung eines menschlichen oder tierischen Lebewesens. In den Gliedern der schlangenartig gewundenen Installationen fließen chemische Substanzen, die ihr Aussehen durch die Bewegung der einzelnen Teile permanent verändern, zeitgleich ist der Raum erfüllt von den monoton-mechanischen Geräuschen der Maschinen.
Die in Deutschland lebende Künstlerin Yang Hae Gue arbeitet auf ähnliche Weise. In ihren Raumfüllenden Installationen hinterfragt sie den Umgang mit gewöhnlichen Alltagsgegenständen und die Vorstellung und Erwartung, die ihnen in den unterschiedlichen kulturellen Kontexten zugeschrieben werden. Die Bewegung spielt auch bei Yang Hae Gues Arbeiten eine zentrale Rolle: so lässt sie in der Performance »Moved by Schlemmer« (2022) große, mit unzähligen Glöckchen behangene Figuren durch einen Raum ziehen. Es wirkt ganz so, als hätte sie Oskar Schlemmers »Triadisches Ballett« mit einem traditionellen koreanischen Schamanen-Ritual zusammengebracht. Das Ergebnis ist äußerst faszinierend – unabhängig davon, ob man es aus östlicher oder aus westlicher Perspektive betrachtet.

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Korea ist in den letzten hundert Jahren immer wieder von externen Staaten beeinflusst worden – nicht nur politisch. Auch die Kunst der jeweiligen Länder berührte die Techniken des ostasiatischen Gebiets. Mit The Space Between. The Modern in Korean Art beleuchtet das LACMA ab dem 11. September diesen Zweig der modernen koreanischen Kunstgeschichte.

11. September 2022
London: »Electric Dreams« in der Tate Modern

In einer großen Ausstellung mit über 150 Exponaten beleuchtet die Tate Modern die Anfänge der optischen, kinetischen und digitalen Kunst. Ab dem 28. November sind die Werke zahlreicher namhafter Kunstschaffender in Electric Dreams: Art and Technology Before the Internet in London ausgestellt.

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