Im Jahr 1939 wurde in Hamburg das 750-jährige Bestehen des Hafens gefeiert. Aus diesem Anlass erschien der Bildband Der Hafen mit Fotografien von Rolf Tietgens (1911-1984). Der Hamburger war ein bekannter Fotograf, lebte aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits in New York. Ende 1938 war er emigriert, weil sein Leben im nationalsozialistischen Deutschland wegen seiner Homosexualität bedroht war und er keine beruflichen Perspektiven mehr sah. Tietgens‘ wenige Jahre zuvor erschienenes Fotobuch Die Regentrommel, die unter anderem die katastrophalen Lebensbedingungen amerikanischer Ureinwohner thematisierte, war vom nationalsozialistischen Regime verboten worden. Tietgens arbeitete im Sinne des Neuen Sehens, einer Stilrichtung der Fotografie, die sich von Kompositionsschemata der Malerei löste und einen dynamischen, experimentellen Ausdruck suchte, der vom persönlichen Blick des Fotografen geprägt ist. Da Tietgens nie nach Deutschland zurückkehrte, geriet seine Arbeit hier langsam in Vergessenheit. Die Alfred Ehrhardt Stiftung in Berlin gibt nun im Zuge einer Doppelausstellung Einblicke in das Schaffen des Fotografen und stellt es dem von Alfred Ehrhardt (1901-1984) gegenüber: Alfred Ehrhardt & Rolf Tietgens: Hamburger Hafen und Norddeutsche Küste eröffnet am 12. April um 19 Uhr und läuft bis zum 7. Juli.
Alfred Ehrhardts Ansatz ist objektiver als der von Tietgens, seine Hafenaufnahmen lassen Ehrhardts Arbeit als Naturfotograf und Dokumentarfilmer erkennen. Er hatte in den 1920ern am Bauhaus in Dessau studiert und zunächst Gemälde und Zeichnungen angefertigt. Seit den frühen 1930ern betätigte er sich als Fotograf und machte sich mit abstrakten Werken, die auf natürliche Weise entstandene Sandstrukturen zeigten, auch international als Avantgardist einen Namen. Die aktuelle Ausstellung der Stiftung in Berlin zeigt erstmals Ehrhardts Bilder vom Hamburger Hafen.