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Wilhelm Leibl
Ein Kritiker
Estimate: 200.000 - 250.000 EUR
Price realised: 403.200 EUR
Price realised: 403.200 EUR
Description
Öl auf Holz. 67 x 55 cm.
Signiert und datiert unten links: W. Leibl 1868.
Was erhofft, was erträumt sich ein junger Künstler von seiner ersten Teilnahme an einer großen Ausstellung? Dass ihn die Kritiker in der Masse der Exponate wahrnehmen und in ihren Rezensionen erwähnen; dass ihm die etablierten Künstler mit Wohlwollen, gar mit Anerkennung begegnen; dass ihm die Studienfreunde und Verwandten bescheinigen, nun den Durchbruch geschafft zu haben – all diese Hoffnungen erfüllte dieses Werk, Wilhelm Leibls Gemälde „Ein Kritiker“, als es 1869 bei der „I. Internationalen Kunstausstellung im königlichen Glaspalaste“ in München ausgestellt wurde.
Die Bedeutung dieses Debuts für den 24jährigen Künstler, noch Meisterschüler Pilotys an der Münchener Akademie, kann nicht überschätzt werden. Zur Ausstellung mit knapp 2400 (!) Werken reichte Leibl fünf Werke ein. Im Ausstellungskatalog ist das Gemälde unter Nummer 962 gelistet, lapidar als „Genrebild“ bezeichnet; zusammen mit dem „Bildnis der Mina Gideon“ erregte es die meiste Bewunderung unter Leibls Werken. So konnte der Künstler seinem Bruder, nicht ohne Stolz, kurz nach der Ausstellungseröffnung vermelden: „Von vielen wird behauptet, mein Genrebild [Ein Kritiker] sei unter den Münchenern das Beste u. gleichfalls mein Portrait“ (Röhrl 1996, op. cit., S. 52). In Düsseldorf, wo das Gemälde zuvor bereits gezeigt wurde, war die Resonanz gleichermaßen enthusiastisch ausgefallen. Die dortigen Künstler, so berichtete Leibl später, trugen ihn im Triumph auf den Schultern, Wilhelm von Kaulbach proklamierte ihn zum „Malerkönig“ – „das war mir peinlich�
Das Bild zeigt einen Kritiker und einen Künstler bei der gemeinsamen Betrachtung einer Arbeit. Mit theatralischer Geste hält der Kritiker das Blatt vor sich und betrachtet es mit Bewunderung. Der Künstler sitzt neben diesem auf einem Tisch, beugt sich zu diesem und greift zugleich nach einer anderen Arbeit hinter sich (zu erwähnen ist, dass das Gemälde in der Vergangenheit als „Die Kritiker“ betitelt wurde; vgl. Köln/München 1994, op. cit., S. 20). Als Modelle dienten Leibl die Künstlerfreunde Rudolf Hirth du Frênes und Karl Haider. Durch eine Ölskizze und eine Federzeichnung aus dem Entstehungsjahr des Gemäldes können wir die Genese des Werks nachvollziehen: Die Ölskizze (Belvedere, Wien; Abb. 1) zeigt bereits die wesentlichen Elemente der Figurenkomposition. Mit sicherer Hand platziert Leibl die Figuren im Raum und verteilt die Farb- und Hell-Dunkelwerte auf der Fläche. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Skizze und ausgeführtem Gemälde wird deren Vergleich offe
Die Bezeichnung des Gemäldes als „Genrebild“, vom jungen Leibl selbst gebraucht (und bis heute zuweilen verwendet), wird der Bedeutung dieses Werks nicht gerecht. Sie offenbart die Probleme der damaligen Kunsttheorie und Kunstkritik in Deutschland, den modernen Realismus von Leibls Kunst richtig einzuordnen. Das Gemälde stellt nicht bloß eine Genreszene dar, es reflektiert Leibls eigene Situation als junger Künstler, der sich anschickt, vor die internationale Kunstöffentlichkeit zu treten und sein Werk der Kritik von Kollegen, Kritikern und Sammlern auszusetzen – ein passendes Bildthema für ein Debutwerk, wie es scheint. Dass Leibl die Bedingungen seines Kunstschaffens beschäftigte, zeigt das im selben Jahr entstandene Gemälde „Im Atelier“ (Liberec, Oblastní Galerie; Abb. 2), das wie ein thematisches Gegenstück zu „Ein Kritiker“ erscheint. Dass „Ein Kritiker“ überhaupt die erste mehrfigurige Komposition Leibls darstellte, macht die malerische Meisterschaft
Leibls Teilnahme an der Münchener Ausstellung 1869 war auch deshalb so bedeutend, weil sie ihm die Freundschaft – und Bewunderung – Gustave Courbets einbrachte, eine schicksalhafte Begegnung für Leibl. Courbet war mit einer Reihe weiterer französischer Künstler bei der Ausstellung vertreten und zeigte in München unter anderem sein Hauptwerk „Die Steinklopfer“ von 1849 (Abb. 3). Ein Besuch Courbets in der Stadt führte die beiden bei einem abendlichen Gasthausbesuch zusammen. Courbet, der Anführer des Realismus in Frankreich, lud Leibl nach Paris ein, dort sollte er ein Jahr später das „Bildnis der Mina Gedeon“ ausstellen, für das ihm die Goldmedaille zugesprochen wurde. „Ein Kritiker“ nahm Leibl nicht mit nach Paris, vielleicht, weil es sich bereits in einer rheinischen Privatsammlung befand; er hatte es noch im Jahr der Entstehung verkaufen können. Die Nachfahren der ersten Besitzerin wussten um die eminente Bedeutung dieses Werks im Œuvre Leibls, wie ein han
Abb. 1/Ill. 1: Wilhelm Leibl, Ein Kunstkritiker / An Art Critic, 1868 © Belvedere, Wien/Vienna
Abb. 2/Ill 2: Wilhelm Leibl, Im Antelier / In the Studio, 1868/69 © Oblastní galerie Liberec Abb. 3/Ill. 3: Gustave Courbet, Die Steinklopfer / The Stone Breakers, 1849, ehemals/formerly Dresden, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen © bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Kriegsverlust/war loss)
Im Jahr 1868, unmittelbar nach Entstehung vom Künstler erworben, seitdem durch Erbfolge in Rheinischer Privatsammlung.
Signiert und datiert unten links: W. Leibl 1868.
Was erhofft, was erträumt sich ein junger Künstler von seiner ersten Teilnahme an einer großen Ausstellung? Dass ihn die Kritiker in der Masse der Exponate wahrnehmen und in ihren Rezensionen erwähnen; dass ihm die etablierten Künstler mit Wohlwollen, gar mit Anerkennung begegnen; dass ihm die Studienfreunde und Verwandten bescheinigen, nun den Durchbruch geschafft zu haben – all diese Hoffnungen erfüllte dieses Werk, Wilhelm Leibls Gemälde „Ein Kritiker“, als es 1869 bei der „I. Internationalen Kunstausstellung im königlichen Glaspalaste“ in München ausgestellt wurde.
Die Bedeutung dieses Debuts für den 24jährigen Künstler, noch Meisterschüler Pilotys an der Münchener Akademie, kann nicht überschätzt werden. Zur Ausstellung mit knapp 2400 (!) Werken reichte Leibl fünf Werke ein. Im Ausstellungskatalog ist das Gemälde unter Nummer 962 gelistet, lapidar als „Genrebild“ bezeichnet; zusammen mit dem „Bildnis der Mina Gideon“ erregte es die meiste Bewunderung unter Leibls Werken. So konnte der Künstler seinem Bruder, nicht ohne Stolz, kurz nach der Ausstellungseröffnung vermelden: „Von vielen wird behauptet, mein Genrebild [Ein Kritiker] sei unter den Münchenern das Beste u. gleichfalls mein Portrait“ (Röhrl 1996, op. cit., S. 52). In Düsseldorf, wo das Gemälde zuvor bereits gezeigt wurde, war die Resonanz gleichermaßen enthusiastisch ausgefallen. Die dortigen Künstler, so berichtete Leibl später, trugen ihn im Triumph auf den Schultern, Wilhelm von Kaulbach proklamierte ihn zum „Malerkönig“ – „das war mir peinlich�
Das Bild zeigt einen Kritiker und einen Künstler bei der gemeinsamen Betrachtung einer Arbeit. Mit theatralischer Geste hält der Kritiker das Blatt vor sich und betrachtet es mit Bewunderung. Der Künstler sitzt neben diesem auf einem Tisch, beugt sich zu diesem und greift zugleich nach einer anderen Arbeit hinter sich (zu erwähnen ist, dass das Gemälde in der Vergangenheit als „Die Kritiker“ betitelt wurde; vgl. Köln/München 1994, op. cit., S. 20). Als Modelle dienten Leibl die Künstlerfreunde Rudolf Hirth du Frênes und Karl Haider. Durch eine Ölskizze und eine Federzeichnung aus dem Entstehungsjahr des Gemäldes können wir die Genese des Werks nachvollziehen: Die Ölskizze (Belvedere, Wien; Abb. 1) zeigt bereits die wesentlichen Elemente der Figurenkomposition. Mit sicherer Hand platziert Leibl die Figuren im Raum und verteilt die Farb- und Hell-Dunkelwerte auf der Fläche. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Skizze und ausgeführtem Gemälde wird deren Vergleich offe
Die Bezeichnung des Gemäldes als „Genrebild“, vom jungen Leibl selbst gebraucht (und bis heute zuweilen verwendet), wird der Bedeutung dieses Werks nicht gerecht. Sie offenbart die Probleme der damaligen Kunsttheorie und Kunstkritik in Deutschland, den modernen Realismus von Leibls Kunst richtig einzuordnen. Das Gemälde stellt nicht bloß eine Genreszene dar, es reflektiert Leibls eigene Situation als junger Künstler, der sich anschickt, vor die internationale Kunstöffentlichkeit zu treten und sein Werk der Kritik von Kollegen, Kritikern und Sammlern auszusetzen – ein passendes Bildthema für ein Debutwerk, wie es scheint. Dass Leibl die Bedingungen seines Kunstschaffens beschäftigte, zeigt das im selben Jahr entstandene Gemälde „Im Atelier“ (Liberec, Oblastní Galerie; Abb. 2), das wie ein thematisches Gegenstück zu „Ein Kritiker“ erscheint. Dass „Ein Kritiker“ überhaupt die erste mehrfigurige Komposition Leibls darstellte, macht die malerische Meisterschaft
Leibls Teilnahme an der Münchener Ausstellung 1869 war auch deshalb so bedeutend, weil sie ihm die Freundschaft – und Bewunderung – Gustave Courbets einbrachte, eine schicksalhafte Begegnung für Leibl. Courbet war mit einer Reihe weiterer französischer Künstler bei der Ausstellung vertreten und zeigte in München unter anderem sein Hauptwerk „Die Steinklopfer“ von 1849 (Abb. 3). Ein Besuch Courbets in der Stadt führte die beiden bei einem abendlichen Gasthausbesuch zusammen. Courbet, der Anführer des Realismus in Frankreich, lud Leibl nach Paris ein, dort sollte er ein Jahr später das „Bildnis der Mina Gedeon“ ausstellen, für das ihm die Goldmedaille zugesprochen wurde. „Ein Kritiker“ nahm Leibl nicht mit nach Paris, vielleicht, weil es sich bereits in einer rheinischen Privatsammlung befand; er hatte es noch im Jahr der Entstehung verkaufen können. Die Nachfahren der ersten Besitzerin wussten um die eminente Bedeutung dieses Werks im Œuvre Leibls, wie ein han
Abb. 1/Ill. 1: Wilhelm Leibl, Ein Kunstkritiker / An Art Critic, 1868 © Belvedere, Wien/Vienna
Abb. 2/Ill 2: Wilhelm Leibl, Im Antelier / In the Studio, 1868/69 © Oblastní galerie Liberec Abb. 3/Ill. 3: Gustave Courbet, Die Steinklopfer / The Stone Breakers, 1849, ehemals/formerly Dresden, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen © bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Kriegsverlust/war loss)
Im Jahr 1868, unmittelbar nach Entstehung vom Künstler erworben, seitdem durch Erbfolge in Rheinischer Privatsammlung.
A top price for Wilhelm Leibl
In November this year Lempertz in Cologne held the auction Alte Kunst und 19. Jahrhundert, Teil I, which included the work Ein Kritiker by Wilhelm Leibl. The »bidding war« ended at EUR 403,200.00 61% above the upper estimate. This high result makes Ein Kritiker the most expensive artwork by Wilhelm Leibl that we have observed at auctions so far.
Ein Spitzenpreis für Wilhelm Leibl
Im November diesen Jahres führte Lempertz in Köln die Auktion Alte Kunst und 19. Jahrhundert, Teil I durch, in der auch die Arbeit Ein Kritiker von Wilhelm Leibl zur Versteigerung kam. Das »Bietergefecht« endete beim Preis von EUR 403.200,00 und damit 61% über dem oberen Schätzpreis. Dieses hohe Ergebnis macht Ein Kritiker zu dem teuersten Kunstwerk von Wilhelm Leibl, das wir bisher bei Auktionen beobachtet haben.