Dirck van Baburen
Jesus unter den Schriftgelehrten
Found at
Lempertz,
Cologne
Gemälde und Zeichnungen Alter Meister, Skulpturen, Lot 2041
18. Nov - 18. Nov 2017
Gemälde und Zeichnungen Alter Meister, Skulpturen, Lot 2041
18. Nov - 18. Nov 2017
Estimate: 150.000 - 200.000 EUR
Price realised: 297.600 EUR
Price realised: 297.600 EUR
Description
Öl auf Leinwand (doubliert). 165,7 x 215,9 cm.
Dieses Gemälde stellt Dirck van Baburens qualitätsvolle eigenhändige Replik einer Komposition dar, deren erste Fassung sich in der Nasjonal Galleriet in Oslo befindet (Franits 2013, op. cit., S. 122-123). Es ist im Jahr 1622, unmittelbar nach der Rückkehr des Künstlers von Rom nach Utrecht entstanden. Van Baburen demonstriert mit dieser ambitionierten Komposition all sein Können, das er sich im Rom des Hochbarock angeeignet hat und tritt mit ihr auf dem Feld der Historienmalerei in Wettstreit zu den führenden Künstlern seiner Heimat. Während Leonard Slatkes das Gemälde bei der Erstellung seines Werkverzeichnisses nicht im Original sehen konnte (Slatkes 1962, op. cit.; Slatkes 1965, op. cit.), hat Wayne Franits die Qualität der Malerei betont und im Werkverzeichnis sogar dieser Version, nicht jener in Oslo, eine Farbtafel gewidmet. Nach übereinstimmenden Informationen in der älteren kunsthistorischen Literatur war das Gemälde einst signiert und datiert.
Die Begebenheit aus der Kindheit Jesu wird im Neuen Testament (Lukas II, 41-52) geschildert: Als Joseph und Maria nach einem Tempelbesuch den zwölfjährigen Jesus vermissen, kehren sie zurück. Sie finden ihn im Tempel, mit den Schriftgelehrten disputierend, die staunen ob der Weisheit des Kindes. Van Baburen stellt die Szene in einer spannungsreichen dynamischen Komposition dar. Sie wird bestimmt vom Gegensatz zwischen dem ruhig argumentierenden zwölfjährigen Jesus und den erstaunten, wild gestikulierenden Schriftgelehrten. Der knabenhafte Jesus steht im Bildzentrum, in ruhigem, festem Kontrapost. Seine Hände formen die Geste des Aufzählens von Argumenten - seit der antiken Rhetorik Ausdruck vernünftigen Redens. Im Gegensatz dazu zeigen Mimik und Gestik der Schriftgelehrten deren ungläubiges Staunen. Wie klug van Baburen das Bild konzipiert hat, zeigt sich darin, dass die argumentierenden Hände Jesu exakt die Mitte des Bildes bilden und in nuce die Bildaussage in sich tragen.
Das Thema des zwölfjährigen Jesus im Tempel wurde zwar nicht von Caravaggio selbst, jedoch im Kreis der Caravaggisten vielfach behandelt, etwa von Bartolomeo Manfredi und Jusepe de Ribera. Van Baburen selbst widmete sich 1615, noch in Rom, diesem Thema, in einer halbfigurigen Komposition, wie sie im Kreis der Caravaggisten verbreitet war (vgl. Abb. 1). Erst nach seiner Rückkehr nach Utrecht konzipierte er die vorliegende Darstellung, ein anspruchsvolles ganzfiguriges Historienbild, offensichtlich in Konkurrenz zu ähnlichen Historienbildern Hendrick ter Brugghens.
Das kraftvolle Chiaroscuro, die monumentale Konzeption der Figuren oder die bewegte Darstellung der Affekte - diese Elemente, die dieses Bild auszeichnen, konnte Dirck van Baburen in Rom an Werken Caravaggios und der Caravaggisten studieren. Er sah sie etwa im Palast des bedeutenden Caravaggio-Mäzens Vincenzo Giustiniani, in dessen Palast van Baburen in Rom lebte. Die Kunstkenner, aber auch die Künstlerkollegen in Utrecht sollten sehen, dass er die moderne Bildsprache des römischen Barock beherrschte. So sieht man, wohl nicht ganz zufällig, die verschmutzte Fußsohle des Schriftgelehrten zur Rechten, ein Motiv von Caravaggios Madonna die Pellegrini aus der Kirche Sant´Agostino, das seit jeher die Bewunderer der Kunst Caravaggios elektrisiert hat.
Van Baburen rekurriert in diesem Bild jedoch nicht nur auf Werke Caravaggios. Wie eine bewegte staunende Gruppe von Figuren um eine ruhige zentrale Figur arrangiert wird, konnte er an einem Hauptwerk der römischen Hochrenaissance studieren, an Raffaels Altarbild der Transfiguration (Vatikanische Museen). Van Baburen hatte reichlich Gelegenheit, es zu studieren, befand es sich doch seinerzeit in San Pietro in Montorio, jener Kirche, für die der Künstler den wichtigsten Auftrag seiner römischen Zeit ausführte.
Die Komposition war offensichtlich ein großer Erfolg. Davon zeugen die zahlreichen Kopien, vor allem aber die vielen Werke anderer Künstler, die die Komposition aufgreifen. Dazu zählt Mathias Stomers Gemälde, das etwa zehn Jahre später entstanden ist (Abb. 2). Es übernimmt die Gesamtkomposition, aber auch einzelne Bildelemente wie die Figur des Schriftgelehrten zur Rechten, dessen Umhang auch bei Stomer in kraftvollem Rot gemalt ist - jenes leuchtende Rot, das Wayne Franits beim vorliegenden Bild als „rich vermilion robe of the doctor, which is truely magnificent“ bezeichnet hat.
Wohl Slg. Boudewijn de Man, Delft (als „school"). - Versteigert am 15.3.1644 (als „Een school van T. van Baburen, f 605"). - Slg. van Diemen, Amsterdam, vor 1675. - Wohl Slg. Girolamo Parenzi (über Eheschließung mit Anna Maria van Diemen). - Slg. Marchese Rafaello Mansi, Lucca, 1742 bis 1951. - Italienische Privatsammlung, 1978. - Galerie Bruno Meissner, Zürich, um 1986. - Auktion Sotheby´s, London, 3.6.1988, Lot 71. - Joan Michelman Ltd., New York. - Slg. Dr. Hiroshi Ishizuka, Tokyo, 2001. - Auktion Sotheby´s, New York, 28.1.2010, Lot 277. - Europäische Privatsammlung.
Dieses Gemälde stellt Dirck van Baburens qualitätsvolle eigenhändige Replik einer Komposition dar, deren erste Fassung sich in der Nasjonal Galleriet in Oslo befindet (Franits 2013, op. cit., S. 122-123). Es ist im Jahr 1622, unmittelbar nach der Rückkehr des Künstlers von Rom nach Utrecht entstanden. Van Baburen demonstriert mit dieser ambitionierten Komposition all sein Können, das er sich im Rom des Hochbarock angeeignet hat und tritt mit ihr auf dem Feld der Historienmalerei in Wettstreit zu den führenden Künstlern seiner Heimat. Während Leonard Slatkes das Gemälde bei der Erstellung seines Werkverzeichnisses nicht im Original sehen konnte (Slatkes 1962, op. cit.; Slatkes 1965, op. cit.), hat Wayne Franits die Qualität der Malerei betont und im Werkverzeichnis sogar dieser Version, nicht jener in Oslo, eine Farbtafel gewidmet. Nach übereinstimmenden Informationen in der älteren kunsthistorischen Literatur war das Gemälde einst signiert und datiert.
Die Begebenheit aus der Kindheit Jesu wird im Neuen Testament (Lukas II, 41-52) geschildert: Als Joseph und Maria nach einem Tempelbesuch den zwölfjährigen Jesus vermissen, kehren sie zurück. Sie finden ihn im Tempel, mit den Schriftgelehrten disputierend, die staunen ob der Weisheit des Kindes. Van Baburen stellt die Szene in einer spannungsreichen dynamischen Komposition dar. Sie wird bestimmt vom Gegensatz zwischen dem ruhig argumentierenden zwölfjährigen Jesus und den erstaunten, wild gestikulierenden Schriftgelehrten. Der knabenhafte Jesus steht im Bildzentrum, in ruhigem, festem Kontrapost. Seine Hände formen die Geste des Aufzählens von Argumenten - seit der antiken Rhetorik Ausdruck vernünftigen Redens. Im Gegensatz dazu zeigen Mimik und Gestik der Schriftgelehrten deren ungläubiges Staunen. Wie klug van Baburen das Bild konzipiert hat, zeigt sich darin, dass die argumentierenden Hände Jesu exakt die Mitte des Bildes bilden und in nuce die Bildaussage in sich tragen.
Das Thema des zwölfjährigen Jesus im Tempel wurde zwar nicht von Caravaggio selbst, jedoch im Kreis der Caravaggisten vielfach behandelt, etwa von Bartolomeo Manfredi und Jusepe de Ribera. Van Baburen selbst widmete sich 1615, noch in Rom, diesem Thema, in einer halbfigurigen Komposition, wie sie im Kreis der Caravaggisten verbreitet war (vgl. Abb. 1). Erst nach seiner Rückkehr nach Utrecht konzipierte er die vorliegende Darstellung, ein anspruchsvolles ganzfiguriges Historienbild, offensichtlich in Konkurrenz zu ähnlichen Historienbildern Hendrick ter Brugghens.
Das kraftvolle Chiaroscuro, die monumentale Konzeption der Figuren oder die bewegte Darstellung der Affekte - diese Elemente, die dieses Bild auszeichnen, konnte Dirck van Baburen in Rom an Werken Caravaggios und der Caravaggisten studieren. Er sah sie etwa im Palast des bedeutenden Caravaggio-Mäzens Vincenzo Giustiniani, in dessen Palast van Baburen in Rom lebte. Die Kunstkenner, aber auch die Künstlerkollegen in Utrecht sollten sehen, dass er die moderne Bildsprache des römischen Barock beherrschte. So sieht man, wohl nicht ganz zufällig, die verschmutzte Fußsohle des Schriftgelehrten zur Rechten, ein Motiv von Caravaggios Madonna die Pellegrini aus der Kirche Sant´Agostino, das seit jeher die Bewunderer der Kunst Caravaggios elektrisiert hat.
Van Baburen rekurriert in diesem Bild jedoch nicht nur auf Werke Caravaggios. Wie eine bewegte staunende Gruppe von Figuren um eine ruhige zentrale Figur arrangiert wird, konnte er an einem Hauptwerk der römischen Hochrenaissance studieren, an Raffaels Altarbild der Transfiguration (Vatikanische Museen). Van Baburen hatte reichlich Gelegenheit, es zu studieren, befand es sich doch seinerzeit in San Pietro in Montorio, jener Kirche, für die der Künstler den wichtigsten Auftrag seiner römischen Zeit ausführte.
Die Komposition war offensichtlich ein großer Erfolg. Davon zeugen die zahlreichen Kopien, vor allem aber die vielen Werke anderer Künstler, die die Komposition aufgreifen. Dazu zählt Mathias Stomers Gemälde, das etwa zehn Jahre später entstanden ist (Abb. 2). Es übernimmt die Gesamtkomposition, aber auch einzelne Bildelemente wie die Figur des Schriftgelehrten zur Rechten, dessen Umhang auch bei Stomer in kraftvollem Rot gemalt ist - jenes leuchtende Rot, das Wayne Franits beim vorliegenden Bild als „rich vermilion robe of the doctor, which is truely magnificent“ bezeichnet hat.
Wohl Slg. Boudewijn de Man, Delft (als „school"). - Versteigert am 15.3.1644 (als „Een school van T. van Baburen, f 605"). - Slg. van Diemen, Amsterdam, vor 1675. - Wohl Slg. Girolamo Parenzi (über Eheschließung mit Anna Maria van Diemen). - Slg. Marchese Rafaello Mansi, Lucca, 1742 bis 1951. - Italienische Privatsammlung, 1978. - Galerie Bruno Meissner, Zürich, um 1986. - Auktion Sotheby´s, London, 3.6.1988, Lot 71. - Joan Michelman Ltd., New York. - Slg. Dr. Hiroshi Ishizuka, Tokyo, 2001. - Auktion Sotheby´s, New York, 28.1.2010, Lot 277. - Europäische Privatsammlung.
Upper estimate price exceeded by 49 %.
The work Jesus unter den Schriftgelehrten by Dirck van Baburen was sold in the Gemälde und Zeichnungen Alter Meister, Skulpturen auction at Lempertz in Cologne in November 2017. The »bidding war« ended at EUR 297,600.00 49% above the upper estimate. Admittedly, works by Dirck van Baburen have also been auctioned for a multiple of this price - according to our records, the highest result so far was achieved by the work Opfergabe an Ceres. Um 1621. in September last year with an auction result of CHF 1,408,300.00 (€ 1,462,138.72).
Oberer Schätzpreis um 49 % übertroffen
Die Arbeit Jesus unter den Schriftgelehrten von Dirck van Baburen wurde im November 2017 in der Auktion Gemälde und Zeichnungen Alter Meister, Skulpturen bei Lempertz in Köln versteigert. Das »Bietergefecht« endete beim Preis von EUR 297.600,00 und damit 49% über dem oberen Schätzpreis. Freilich wurden Arbeiten von Dirck van Baburen auch schon für ein Vielfaches dieses Preises versteigert – das bisher höchste Ergebnis erzielte nach unseren Aufzeichnungen die Arbeit Opfergabe an Ceres. Um 1621. im September letzten Jahres mit einem Auktionsergebnis von CHF 1.408.300,00 (€ 1.462.138,72).