Nina Temple

Fluide Schönheit im Tanz der Pigmente

Nina Temples fluide Arbeiten sind eine Hommage an die unvorhersehbare Schönheit der Natur. Aus Tusche und Wasser entstehen durch gesteuerten Zufall prägnante Kompositionen, die von der Dynamik des Lebens erzählen – eine Symbiose aus Kunst, Natur und Physik.

von Felix Brosius, 10. December 2024
Nina Temple - The Juggler
Nina Temple: The Juggler (2020), Tusche auf Papier

Biomorphe, organisch anmutende Formen kommen zum Vorschein in den feinen Tuschearbeiten von Nina Temple. Sie könnten fast durchgehen als seltsame Wesen von fernen Planeten oder als unbekannte Lebensformen aus der Tiefsee, ebenso würde man der Künstlerin sofort glauben, wenn sie behauptete, sie hätte Zellstrukturen unter dem Mikroskop abgebildet. Tatsächlich sind die fluiden Gebilde aber das Ergebnis eines gelenkten Zufalls im Ringen physikalischer Prozesse. So beginnt Temple ihre Arbeiten mit einem großen Wassertropfen auf dem Papier, den sie so lange verformt, ausdehnt, zurückdrängt und verschiebt, bis seine Umrisse eine zugleich spannungsreiche wie auch ausgewogene Gestalt annehmen, die zur Grundform ihrer Komposition wird. In diesen Wasserfilm gibt sie anschließend Tusche hinzu, wobei sie nicht nur verschiedene Farben, sondern auch unterschiedliche Arten von Tusche kombiniert, die sich aufgrund ihrer chemischen Struktur mal harmonisch miteinander verbinden und sich in anderen Fällen streng zu separieren scheinen. Das Ergebnis hat somit durchaus zufällige Elemente, die sich herauskristallisieren, während das Wasser trocknet und damit auf dem Papier das abschließende Bild zum Vorschein kommt.

Nina Temple - Violet Bundle
Nina Temple: Violet Bundle (2019), Tusche auf Papier

Kein Zufall ist es dagegen, dass die Formen in den Tuschearbeiten der in Carmel Valley, Kalifornien, lebenden Künstlerin an komplexe Strukturen aus der Natur erinnern. Vielmehr nutzt Temple bewusst die biomorphe Formsprache, um abstrakte Ideen von Schönheit und Harmonie, die Bewegung eines Tanzes oder den Klang von Musik zu visualisieren. Sie verzichtet dabei auf rationale Konstruktionsprinzipien, verlässt sich sowohl im Handwerk als auch kompositorisch auf die Dynamik und Spontanität der Natur. So überrascht es auch nicht, dass sie Vertreter der Organischen Abstraktion wie Miró und Kandinsky zu den Künstlern zählt, die sie maßgeblich beeinflusst und zu den Arbeiten inspiriert haben, die bereits in zahlreichen Museumsausstellungen wie jüngst in einer Einzelausstellung des Marin MOCA zu sehen waren.

Nina Temple - Fluttered
Nina Temple: Fluttered (2024), Tusche auf Papier
»Mit Tusche sind meiner Meinung nach viele Risiken und Herausforderungen verbunden, was ein großer Teil dessen ist, warum ich es liebe.«
Nina Temple - Divirgent
Nina Temple: Divirgent (2021), Tusche auf Papier
Nina Temple - Little One
Nina Temple: Little One (2019), Tusche auf Papier

Mehr über die Künstlerin: Artist Page von Nina TempleArt.Salon

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von Felix Brosius, 15. October 2024
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